Sonntag, 8. Juli 2007

3.

Es gab nicht viele Blonde in meinem Leben. Niki war der Blondeste. Es steckt ein bisschen Vernunft in jedem Wahn, sagte er am Ende, und ein bisschen Wahn in jeder Vernunft. Damals wusste ich noch nicht, dass das von Nietzsche ist. Ich hätte ihm sogar diese Weisheit zugetraut.
Von Niki habe ich mich brechen lassen.
Ich habe ihn vorausgesehen – . Ich nannte ihn Nickolaus I.Schpieghel, und ich schrieb das fiktive Vorwort zu seinem Buch über die Internetgeneration. Was ist deine größte Schuld, fragte mich der echte Nikolaus. Ich habe ihm die Frage beantwortet. Alles andere kam mir zweitrangig vor. Ihm nicht. Er wollte, dass ich mein Leben aufschreibe. Ich fing oft an, mit starken Worten, mit schwachen Worten, mit falschen Worten, aber ich fand keine anderen. Die erste Version habe ich vernichtet.
Niki gab sich in der psychosomatischen Klinik als mein Ehemann aus. Wir waren aber nur verlobt. Es war sehr schwierig gewesen, Ringe auszusuchen. Beim ersten Mal kannte ich Günter gerade drei Wochen. Wir schauten in die Auslage des Juweliergeschäfts. Wir gingen hinein und er wünschte, Eheringe zu sehen. Mir hat das Spaß gemacht, ich dachte, wir veralbern die Verkäuferin ein bisschen. Als wir uns auf ein Paar geeinigt hatten, ging er zur Kassa und bezahlte sie. Ich erlebte den Film neuneinhalb Wochen – in einer sanfteren Variante. Als ich ihn kennen lernte, wollte ich mich verkaufen. Denn ich war mir gerade ziemlich egal. Am Vorabend hatte mir der Mann, den ich damals liebte, eröffnet, dass er am Wochenende die Frau seines Lebens getroffen hätte. Am meisten war ich darüber wütend, dass wir vorher den ganzen Nachmittag im Bett verbracht hatten. Dass ich in das Zuhälterlokal ging, empfand ich nicht als Selbsthass, eher als heimliche Rache. Eineinhalb Jahre später heiratete ich den vermeintlichen One-Night-Stand. Bei meiner zweiten „Verlobung“, war ich noch nicht geschieden. Mit Niki war keine Entscheidung einfach. Er konnte aus einer Fahrt zum Supermarkt ein Riesenproblem machen. Wegen der Ringe waren wir in mindestens zehn Geschäften. Im Grunde war es mir ganz egal. Denn ich hatte begonnen, mich völlig aufzugeben. Du bist für mein Leben verantwortlich, sagte er zu mir, und er meinte jeden Atemzug, jedes Gefühl, das er hatte, er meinte alles. Er bestand darauf, dass ich ihm von allen Männern, mit denen ich je zu tun hatte, erzählte. Ich brauchte ziemlich lange. Als ich damit fertig war, konnte er mich nicht mehr anschauen. Er war auf alles eifersüchtig, er fragte mich nach jedem Blick, nach jedem Gespräch, er ließ mich nirgends alleine hingehen, er isolierte mich völlig von meinen Freunden und von meiner Familie. Ich musste immer an einen Schutzhund denken. In meiner gerade ausbrechenden Psychose wurde er für mich zum Wolf. Wir sind wie Hund und Katze, sagte ich zu seinem Vater. Und schilderte ihm ausführlich, wer mich aller verfolgte. Der meinte nur, ich hätte zu viel gelesen. Da war ich schon ziemlich paranoid.
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