DAS EXPERIMENT

Dienstag, 10. Juli 2012

das experiment (7)

Was soll das jetzt heißen, wir müssen wegen eines technischen Gebrechens die gewohnte Route verlassen? Wieso lässt dieser Idiot von Fahrer uns nicht aussteigen? Sind die Türen etwa auch defekt?

Ich schaue zu den anderen Fahrgästen, anscheinend ist es allen egal, ob wir ein paar Minuten länger brauchen. Die Dame links gegenüber drückt die ganze Zeit auf ihrem Handy herum, die Frau in der Wagenmitte redet mit ihrem Kind. Die zwei Männer in meinem Blickfeld sind ganz ruhig.

Komisch, dass sich keiner aufregt. Ich will aber sicher auch nicht der erste sein, der den Mund aufmacht. Wissen Sie, ich bin ein bisschen schüchtern. Das hat mich durchaus auch schon vor mancher Peinlichkeit bewahrt. Genau wie davor, die Sandner einmal zum Essen einzuladen. Ziemlich sicher würde sie eh nein sagen. Und das wiederum möchte ich nicht hören. Drum frag ich sie gleich gar nicht. So kann ich mir ausmalen, wie es wäre, wenn sie doch …

Wahrscheinlich bin ich ihr auch viel zu alt. Und zu erfolglos.
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Sonntag, 8. Juli 2012

das experiment (6)

Vorhin dachte ich, ich könnte mich gleich hier im Bus um mein Abendessen kümmern. Der in der letzten Reihe schaut sogar ziemlich gut aus. Dass er nicht wirklich zurückschaut, hätte mich noch nicht gehindert.

Aber den, der an der letzten Station eingestiegen ist, den schaut er an. Genauso wie den neben dem Kinderwagen. Schade, anderes Ufer. Anscheinend kann er sich nicht entscheiden.

Dann wird es heute also doch die Stadtplannummer. Sie glauben gar nicht, wie charmant ich beim Weg-Erklären sein kann. Und danach weiß ich genau, ob es sich auszahlt, mitzugehen.

Sie glauben, ich prostituiere mich? Sie irren - ich tue nur so als ob. Und das auch nur, wenn es unvermeidlich ist. Ich erwecke nämlich einen weit besseren Eindruck, das macht wesentlich unvorsichtiger. Oder auch großzügiger, je nachdem, welche Geschichte mir dann gerade einfällt.

Seltsam, ich dachte der Bus fährt hier geradeaus weiter. Wird wohl eine Umleitung sein.
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Samstag, 7. Juli 2012

das experiment (5)

Ich will ein Eis!
Zuhause vielleicht. Wenn wir eines da haben.
Mama, da sind 9 Leute im Bus!
Wirklich, Florian?
Ja, ich hab sie abgezählt, einszweiviersiebenfünfsechsachtneun, siehst du!
Fast richtig, Florian, man zählt eins-zwei-drei-vier-fünf-sechs-sieben-acht-neun.
Genau - neun, sag ich ja.
Ja genau neun.

Das ist ein Mann, Mama!

Die Mama lacht, ja richtig, das ist ein Mann. Normalerweise lachen die Leute zurück, wenn ihnen der Florian ihr Geschlecht verkündet . Dieser Mann lacht nicht.
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Freitag, 6. Juli 2012

das experiment (4)

„Suche einen Mann, der weiß, was er will und mir das sogar mitteilen kann“, hab ich gestern in mein Profil bei den Websingles geschrieben. Bin neugierig, was da heraus kommen wird. Bis jetzt hab ich wohl ein paar nette Menschen kennen gelernt, aber mehr auch nicht. Bleib lieber eine Weile allein, hat mir meine Schwester geraten. Die hat gut reden mit ihren drei wohlgeratenen Töchtern und ihrem unendlich geduldigen Mann. Obwohl – so einen Langweiler hätt ich ja auch haben können, allerdings zu einer Zeit, wo mir noch nicht recht klar war, dass lange Weile durchaus positiv sein könnte. Vor allem in Beziehungen.

42 neue E-mails – das ist ja deutlich mehr, als ich erwartet habe. Schließlich bin ich schon deutlich über dreißig. Selbstverständlich beginne ich sofort, die Mails zu lesen. Das erste lösche ich nach 5 Sekunden. Standen nur Maße drin. Na toll. Wieso geht das zweite nicht mehr auf? Anscheinend hab ich in diesem Bus gerade keinen Empfang.
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Mittwoch, 4. Juli 2012

das experiment (3)

Als ob ich es geahnt hätte – jetzt ist auch noch eine Frau mit Kinderwagen zugestiegen! Luft steht direkt neben ihr. Feuer sitzt in der letzten Reihe, Sand kommt an der nächsten Station.

Diese vertrottelten Decknamen hab natürlich nicht ich mir ausgedacht, sondern Erde. Wozu brauchen wir überhaupt Decknamen, wenn wir hier ohne jede Verkleidung agieren?

In wenigen Minuten geht es los, worauf hab ich mich da nur eingelassen? Immerhin hab ich gelernt, einen Autobus zu lenken. Und es macht mir sogar Spaß.
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Dienstag, 3. Juli 2012

das experiment (2)

Irgendwann bring ich meine Chefin um. Ich weine Ihnen keine Träne nach, wenn Sie kündigen, hat sie gesagt. Sehr witzig, ich bin 53 Jahre alt, davon hab ich deutlich mehr als die Hälfte in der Firma verbracht. Mein Spezialwissen braucht genau niemand mehr, das weiß sie so gut wie ich. Selbst wenn ich fertig studiert hätte, wäre ich wohl nicht leicht vermittelbar.

Du bist ein Versager, hat mein Vater damals zu mir gesagt, jetzt hab ich also zwei Trotteln als Söhne. Sonst hat er sich nicht viel um uns geschert, aber zum Angeben vor seinen Freunden taugten wir weder in sportlicher noch in sonstiger Hinsicht. Ich hab ihm nie verziehen, aber gemerkt hab ich mir seine Kränkungen. Zu gut gemerkt vielleicht.

Sie sind immer so empfindlich, hat die Chefin gesagt, sie sehe das große Ganze, während ich anscheinend nur meine Pensionierung zum Ziel hätte. Das war nicht immer so, hätte ich ihr sagen können. Die vielen Ablehnungen auf meine Bewerbungen und noch mehr die gar nicht mehr kommenden Antworten haben mich allerdings doch ein wenig resignieren lassen.

Sie hätte sich das ganz anders vorgestellt, hat sie mir heute süffisant erklärt. Ich hab drei Wochen an meinem Konzept gefeilt, bevor ich es ihr heute gab. Mit ihren ekelhaften künstlichen Fingernägeln hat sie die dreißig Seiten gerade einmal dreißig Sekunden lang vor mir durchgeblättert. Sie geben sich immer weniger Mühe, hat sie gesagt. Und dass sie froh sei, dass sie es gleich geahnt hätte, dass ich nichts mehr zustande bringe. Ich müsse sie auch verstehen, sie hätte der Frau Magister Sandner denselben Auftrag erteilt. Nur zur Sicherheit, schließlich gebe es einzuhaltende Termine. Ich könne mich wieder meinen sonstigen Aufgaben zuwenden.

Die Sandner hat eine Menge von mir gelernt, hätte ich sagen können. Aber ich hab´s gelassen. Weil ich die nämlich mag. Trotz allem.
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Montag, 2. Juli 2012

das experiment (1)

Gerade habe ich mir ein neues Kleid genommen. Im Sommer ist das einfach, ich weiß ein paar Stellen, wo die Leute gern nackt baden. Und vor allem, wie ich dort schnell wegkomme. Überhaupt ist es schön, sich ohne viel Aufwand von oben bis unten waschen zu können. Ohne eigenes Badezimmer, verstehen Sie? Nein, ich habe keine Substandardwohnung. Ich habe gar keine Wohnung.

Ich wusste gleich, dass mir das Kleid ausgezeichnet passen würde. Es ist schwarz-weiß, genau richtig tailliert und schwingt schön beim Gehen. Sie glauben, ich habe keine anderen Sorgen? Doch, die habe ich. Die offensichtlichste verursacht mir im Moment ziemliches Magenknurren. Deshalb fahre ich in die Innenstadt. Schwarz natürlich.

Das ist das ganze Jahr über völlig ungefährlich. Wenn ich bemerke, wie einer beginnt, die Fahrscheine zu kontrollieren, weine ich leise los. Noch nie hat einer der anderen Fahrgäste nachgefragt, manchmal sieht mich der ein oder andere ein wenig mitfühlend an. Kommt der Kontrolleur dann bis zu mir, erkläre ich ihm auf Französisch so gefasst wie möglich, dass meine Handtasche gestohlen worden ist. Und dass ich am schnellsten Weg zum Hotel xy bin, wo meine Schwester sicher schon vor Sorge vergeht. Oder mein Ehemann. Ich irre mich nie beim Hotelnamen in unmittelbarer Nähe. Schließlich kenne ich fast alle. Die Kontrolleure können praktisch nie Französisch. Die anderen Fahrgäste versuchen zu helfen. Bis ich aussteigen muss.

In meiner Lage ist es praktisch, dreisprachig zu sein. Für jeden Einheimischen bleibe ich eine Touristin, nach der er wohl kaum hier suchen wird. Bei den Geschäftsreisenden kommt es auf meine Garderobe an, was ich ihnen erzähle. Touristen freuen sich über meine Geheimtipps. Zumindest solange ich in ihrer Nähe bin.
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hier fehlt was;-)

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