A - DER KRIMI (Teil 2 zum nachlesen ...)

Donnerstag, 18. August 2011

A - DER KRIMI (Teil 2 zum Nachlesen)

21. Mittwoch, 12. Juni, 20:00

Ich weiß gar nicht, was ich falsch gemacht habe. Als der Anwalt weg war, lud mich Iris auf einen Kaffee ein. Das freute mich natürlich.

- Der Schnöselanwalt hat die Exfrau deines Verblichenen gemeint!
- Ich weiß, sie hat seinen Namen nicht abgelegt.
- Willst du sie nicht doch anzeigen?
- Wieso, du hast doch gesagt, die sehen wir nie wieder!
- Sicher nicht!
- Wo - äh - wo hast du sie denn hingebracht?
- Wieso? Nirgends.
- Was heißt nirgends?

Vielleicht hätte ich mich doch genauer ausdrücken sollen, als ich ihr von meiner Heldentat erzählte.

- Du hast sie nicht -?
- Nicht was?

- Soll das heißen, sie läuft noch immer frei herum?
- Solange sie dich nicht anrührt!
- Wer garantiert mir das?
- Na - ich! Bitte - Iris!

Kaum hatte ich meine Tasse ausgetrunken, warf sie mich auch schon wieder hinaus.

Ich will ihr doch helfen. Ich werde das mit ihr durchstehen. Das muss doch reichen, oder?


22. Donnerstag, 13. Juni 14:00



Markus ist ein lieber Kerl. Das gibt es noch - auch unter Bullen! Sonst wäre ich nicht mit ihm zusammen. Meistens erzählt er mir nichts mehr aus dem Dienst. Dabei ist manches richtig witzig.

Meine Lieblingsgeschichte ist, wie ein Kollege (sic!) einen Bank überfiel. Vorher rief er am Kommissariat an, um alle verfügbaren Einsatzwägen zu einem anderen Tatort zu lotsen. Leider vergaß er dabei, seine Stimme zu verstellen. Der Bankraub gelang, gefasst haben sie ihn trotzdem bald ...

Aber ich schweife ab, ich will ja etwas ganz anderes loswerden. Gestern passierte Markus ein ganz anderer Zufall. Ein Grazer Anwalt meldete eine Betrügerin, viel wusste er eigentlich nicht von ihr, aber er nannte genau den Namen der armen Frau, die Markus erst vor Kurzem in die Psychiatrie schicken musste. Die würden sie auch nicht lange suchen müssen, gleich morgen Nachmittag , wenn er wieder Dienst hätte, würde er hinfahren.

Wieso hat er mir das erzählt? Ich kenne ihn ziemlich gut. Deshalb habe ich mich heute früh krank gemeldet und fuhr nach Steinhof. Um mir selbst ein Bild zu machen. Sozusagen.

Ich wurde ohne besondere Umstände zu Frau Werner gebracht. Sie schien ein bisschen müde, aber nicht paranoid. Ich kann das beurteilen, schließlich bin ich Sozialarbeiterin, da kommt mir auch vieles unter.

Die Ärzte wollten ihr nicht zuhören. Ich schon. Es war wie ein Gespräch mit einer Freundin. Saskia, sagte sie zu mir, glaub mir, ich habe keine Ahnung was da gespielt wird. Ich glaubte ihr.

Und dann rückte ich damit heraus, warum ich eigentlich da war.

- Morgen kommt die Polizei!
- Die haben mich hierher gebracht!
- Ich weiß, aber - was ist die Alternative?

Eine halbe Stunde später riefen wir nach der behandelnden Neurologin.

- Sie sind also die Schwester von Frau Werner?
- Ja, ich habe mir schon große Sorgen um sie gemacht!
- Wieso haben Sie uns nicht gesagt, dass wir Ihre Schwester verständigen sollen?
- Sie haben mich nicht gefragt!

- Ist Ihnen bewusst, dass Ihre Schwester weiterhin schwere Medikamente einnehmen muss?
- Selbstverständlich, ich sorge dafür! Iris kann ein paar Tage zu mir kommen, um Ruhe zu finden!

Und dann schrieb sie den Entlassungsbrief!

- Was willst du jetzt machen, Iris?
- Abhauen, so schnell ich kann! Du hast was gut bei mir!
- Wohin willst du?
- Saskia, ich erzähl´s dir lieber nicht, dein Freund ist doch -
- Ok, aber da - ich schreib dir meine e-mail auf - für den Notfall!

Sie hat mich fest zum Abschied umarmt. Wie eine richtige Freundin.



23. Sonntag, 16.Juni 23:15


So ein Glück! Ich rief gleich Onkel Carlos an, als ich sie wiedererkannte. Ich wollte unbedingt die Peinlichkeit mit dem Auto wieder gut machen.

Zunächst wollte er gar nicht mit mir sprechen, er ließ mir ausrichten, ich solle froh sein, nicht in Betonpatscherln unter Wasser zu stecken. Aber ich blieb hartnäckig, es sei extrem wichtig.

Ich hätte da eine Idee, wie wir unseren "Verlust" wieder bekommen könnten, die Frau ist der Schlüssel!

Natürlich sei ich mir sicher, ich habe das Pärchen im Cafe in Venedig doch lange genug beobachtet. Und ihren Sprint hinterm Auto her, wie könnte ich das vergessen!

Bring sie her, trug mir Carlos auf. Und das ging noch einfacher, als ein Auto zu stehlen!

Ich hänge gerne in dieser Bar herum, dauernd kommen neue Studentinnen von der Grabungsstätte. Das Freizeitangebot in Casserta ist beschränkt - die Mädels sind leicht aufzureißen. Nicht, dass ich das nötig hätte - aber da sind verdammt hübsche dabei, wissen Sie.

SIE ist keine Studentin, aber fad war ihr anscheinend auch. Sie habe ich natürlich auch nicht angebraten, ich erzählte ihr nur, dass ich in der Nähe wohne.

Am dritten Abend, als ich mich noch immer vornehm zurückhielt, fragte sie mich etwas. Sie sei hier untergetaucht, ob ich das für eine gute Wahl hielte? Nicht wirklich, ich wüsste etwas viel Besseres.

Das Graben in der Hitze sei ziemlich anstrengend, was ich ihr denn vorschlage? Ich hätte einen Onkel im Süden von Neapel, dort könne sie wunderbar ausspannen. Sie hätte ziemlich viel zum Nachdenken. Das könne sie dort noch besser! Es sei eine Riesenvilla, man werde ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen.
Einfach so?

Dafür verbürgte ich mich, der Onkel sei ziemlich exzentrisch. Schon morgen fahre ich ihn wieder einmal besuchen. Ob sie sich das Ganze nicht einfach ansehen wolle?


24. Freitag, 14.Juni, 12:30



Elisabeth hat Recht, mein großartiger Bruder denkt wirklich nur an sich. Ich zerstöre seinen guten Ruf, was ich mir eigentlich dabei gedacht hätte? Wann er damit rechnen dürfe, dass unser guter Name in der Boulevardpresse auftauche?

- Stefan, ich habe überhaupt nichts verbrochen!
- Und warum hat dich dein toller Anwalt dann noch nicht da herausgeholt? Wer ist der überhaupt?
- Ein Freund von Philipp!
- Philipp, ha! Warum hast du nicht mich gefragt?
- Weil du nicht da warst!

Der Maringer würde meinen Fall sicher übernehmen, dem hätte er schließlich zu Zwillingen verholfen. Ich brauche keinen anderen Anwalt, ich sei mit meinem zufrieden.

Zum Glück ging er bald, er hätte genug gehört. Vorsichtshalber habe ich ihm allerdings verschwiegen, dass ich die Betrügerin auch noch in sein Haus gebracht hatte. Noch mehr Vorwürfe hätte ich nicht verkraftet.

Überhaupt bin ich, seit „mein toller Anwalt“ mich über die Ergebnisse seiner Wienreise informiert hat, ziemlich verzweifelt. Warum war ich nur so vertrauensselig? So etwas passiert einfach nicht im richtigen Leben. Und schon gar nicht mir.

Unser Projekt in Bukarest könnte den Bach runter gehen, mein Chef hat noch viel Verständnis, aber ewig wird auch er nicht auf mich warten können.

Ich habe die 12 Quadratmeter Zelle gefühlte zehntausend Mal abgeschritten. Ich mache Liegestütze. Mittlerweile bin ich bei 58 ohne Pause. Das Essen ist unheimlich schlecht. Selbstverständlich esse ich auch das. Ist wenigstens irgendeine Abwechslung.

25. Dienstag, 18.Juni, 7:45


Cristina und Tatjana sind Models, genau wie ich. Wozu sich Iljana nahtlos bräunt, ist mir schleierhaft. Sie hat doch nur einen Au-Pair-Vertrag. Mein Teint ist von Natur aus recht dunkel, die Warterei geht mir schön langsam auf die Nerven.

Zuerst dachte ich, sie würden die Neue auch noch bei uns einquartieren. Sie wohnt aber in einem anderen Teil der Villa.

Heute früh kam sie zum Pool. Anscheinend eine Frühaufsteherin, genau wie ich.

- Entspannst du dich hier auch?
- Kommt drauf an, ich würde lieber endlich arbeiten, anscheinend gibt es Verzögerungen.

Ich erzählte ihr von den Schönheitwettbewerben, die wir gewonnen hatten und dass wir hier auf den Beginn unserer internationalen Karrieren warteten.

- Habt Ihr Eure Pässe bei Euch?
- Nein, die hat Carlos, er sagte, er braucht sie für die Verhandlungen.
- Kommt dir das nicht seltsam vor?

Da traf sie einen wunden Punkt. Ich wollte das schon mit den anderen diskutieren, aber die meinten alle, wir hätten doch unsere schriftlichen Verträge. Das werde schon in Ordnung sein.

- Und was machst du hier?
- Ich versuche, etwas herauszufinden. Unter anderem.

Sie sei mit dem jungen Giovanni hergekommen, er hätte sie unbedingt zu ihrem Schutz hierher bringen wollen. Sie hätte Schwierigkeiten mit der Polizei, und wüsste nicht einmal, weshalb.

Carlos sei extrem höflich und freundlich zu ihr, aber – ich solle mich doch umsehen – die protzige Villa, die vielen „unauffälligen“ bewaffneten Muskelpakete, das lässt doch nur einen Schluss zu, oder? Und dass wir hier praktisch gefangen gehalten würden …

- Hast du denn deinen Pass noch?
- Ja, hab ich. Von mir müssen sie etwas anderes wollen. Ich weiß nur noch nicht, was!
- Kommst du morgen wieder so zeitlich zum Pool?
- Mach ich! Wieso sprichst du eigentlich so gut Deutsch?
- Ich bin aus Brasow, das ist in Siebenbürgen.



26. Montag, 17. Juni, 20:00



Ich bin mir noch nicht sicher, was ich als Nächstes tun werde. Die Sparbücher von Iris habe ich alle erfolgreich aufgelöst und das Geld im Garten meiner Mutter vergraben. Sie hasst Gartenarbeit, allein – die beste Lösung ist das nun auch nicht gerade.

Viel habe ich meiner Mutter jedenfalls nicht erzählt. Es ist nämlich äußerst umständlich, jeden Satz auf einen kleinen Zettel zu schreiben.

- Ich wohne jetzt woanders.
- Das habe ich bemerkt. Gut so!
- Ich habe jemanden kennen gelernt.
- Der Arme! Oder ist er reich?
- Nein. Aber er kann kochen.
- Im Gegensatz zu dir.

- Brauchst du irgendetwas?
- Seit wann interessiert dich das?

- Vielleicht gehe ich ins Ausland!

- Schreib mir eine Postkarte, wenn du dort bist.

Sie scheint sich sehr über meinen Besuch gefreut zu haben.

Das Problem Iris werde ich anders als geplant lösen. Ewig wird sie sich ja kaum davon abhalten lassen, nach Hause zu kommen. Das hätte ich mir gleich denken können, dass Pieta das nicht in meinem Sinn hinkriegt.

Der Anwalt hat nach einem Georg Wegenstein gefragt. Also gibt es einen Georg! Aber Georg bin doch ich - zumindest per e-mail. Und so schreibe ich an „Iris die Echte“ gerade einmal drei Worte: „Wo bist du?“

27. Donnerstag, 20. Juni, 22:30



Die Kollegen sind ihren „Erfolg“ feiern gegangen. Was hat sich Carlos nur dabei gedacht? Er hat diese Frau eindeutig unterschätzt. Ihm alle unsere Informationen zu dem gestohlenen Wagen zu liefern was das Eine.

Dass er derartig unvorsichtig damit umgegangen ist, steht auf einem anderen Blatt. Ich hatte keine Möglichkeit, ihn zu warnen, ohne mich selbst zu kompromittieren.

Die müssen das miteinander geplant haben. Und zwar sorgfältigst.

Die Geschichte, Frau Iris Werner den Kollegen erzählt hat, war nicht zu widerlegen. Ihr italienischer Anwalt legte uns einen Kaufvertrag für eine Villa in Amalfi vor. Lautend auf Herrn Georg Wegenstein und sie selbst. Ihr sei nicht bewusst gewesen, dass das Einführen von Bargeld anzugeben gewesen wäre. Es handele sich jedenfalls um eine Zahlung für ebendieses Haus. Sie bedaure sehr, sich nicht früher gemeldet zu haben.

Jedenfalls – und hier hielt natürlich Beppo die Hand auf – gegen einen angemessenen Abschlag – würde sie sich die Million aushändigen lassen. Das Auto möge bitte an den rechtmäßigen Besitzer retourniert werden, das sei eindeutig nicht ihres.

So weit hätte sich Carlos das Ganze ja gar nicht so schlecht ausgedacht, wie immer sie Frau Werner dazu gebracht hatten, für ihn zu arbeiten. Der Anwalt und sie verließen die Präfektur.

Zehn Minuten später kam sie wieder. Alleine. Sie drohte Beppo, wenn er sie nicht sofort zu einem sauberen Staatsanwalt führe, würde sie ihn wegen Korruption anzeigen. Und der Idiot gehorcht! Er hätte sie doch zu sonst wem führen können!

Aber nein, sie landet unverzüglich bei Lancini. Großeinsatz – Carlos´ Villa wird umstellt, alle Anwesenden werden aufs Präsidium verfrachtet.

Die Rumäninnen sagen übereinstimmend aus, dass sie dort gegen ihren Willen gefangen gehalten wurden – alles fliegt auf. Die Mädchen sind nach ihren Aussagen rasch davon, sie werden alle zum Prozess als Zeuginnen wiederkommen.

Carlos ist fürs erste aus dem Verkehr gezogen und schäumt vor Wut. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Frechheit dieser Dame einfach hinnimmt. Egal, wo er sich gerade befindet.



28. Freitag, 21. Juni, 10:00



Iris hat mein E-mail nicht beantwortet. Ich schreibe ihr ein neues. „Ich kann alles erklären“, wobei das wohl das Letzte ist, was mir vorschwebt, „komm am 22.6. um 16 Uhr ins Cafe Silberlöffel!“

Dort wird die Gute ein Kuvert bekommen. Mit ihrer neuen Bankomatkarte. Und dem Namen eines gewissen Grazer Anwalts. Was immer sie damit anfängt. „Danke!“ hab ich drauf geschrieben. Ich weiß schließlich, was sich gehört.

Die Flüge für morgen sind gebucht, online eingecheckt habe ich auch schon. Ich bin neugierig, wie lange ich es mit Peter/Pieta aushalten werde.

- Ich würde so gerne deine Heimat sehen!
- Wirklich?

Er schien sich zwar zu freuen, erklärte mir aber, er träume eher von den Stränden in Thailand. Wie auch immer, jetzt konnte ich mein großzügiges "Urlaubsangebot" auch nicht mehr zurücknehmen.

Die Koffer sind gepackt, ich muss mich nur noch von meiner Mutter verabschieden. Da wollte er unbedingt mitkommen, das habe ich ihm abgeschlagen.

- Meine Mutter ist eine furchtbare Person, das
kommt überhaupt nicht in Frage!
- Aber wenn dir die Wahnsinnige auflauert?
- Ich habe einen Pfefferspray – für den Notfall!
- Bist du ganz sicher, dass ich dich nicht begleiten soll?
- Bin ich, geh mir nicht auf die Nerven!

Er solle mit unserem Gepäck zum Flughafen fahren, das könne ja wohl kaum so schwierig sein.


29. Freitag, 21. Juni, 20:30




Ich sitze seit fast einer Stunde in meiner Badewanne und singe laut und falsch. Was für ein Genuss!

Endlich hat sich meine Unschuld herausgestellt, man bedaure die lange Haftdauer. Der Anwalt hat mich aufgeklärt, wie viel Haftentschädigung mir zusteht. Als ob das wichtig wäre!

Wieder frei zu sein, unglaublich, wie gut sich das anfühlt!

Ob ich so rasch wie möglich nach Bukarest könne, hat mich mein Chef gefragt. Mir liegt viel an unserem Projekt, das wissen Sie doch. Ob ich wieder reisen dürfte? Das glaube ich wohl, die wüssten jetzt plötzlich auch, dass ich absolut nichts verbrochen hätte. Ich buche den Frühflug am Montag!

Ich werde schon am Sonntag nach Wien fahren. Es gibt da eine Privatadresse einer gewissen Iris Werner, da muss ich einfach selber hin.

30. Freitag, 21. Juni 14:30



- Die Dame will ausschließlich von Ihnen behandelt werden!
- Ist sie hübsch?
- Sehr witzig, Herr Primar, hier ist das Ergebnis ihres Harntests!
- Schicken Sie sie rein!

- Guten Tag, Frau Werner, ich bin Dr. Wegenstein!
- Sie sind Dr. Wegenstein?
- Ja, Sie wollten doch unbedingt zu mir!

- Sie sind kein Schönheitschirurg?
- Nein, in dieser Hinsicht sind Sie woanders besser bedient. Sollten Sie irgendwelche Verkleinerungen oder Vergrößerungen im Sinn haben, empfehle ich Ihnen gerne die entprechenden Kollegen.
- Nein, solche Wünsche hab ich nicht!

- Wenn Sie sich bitte frei machen wollen?
- Ich soll mich frei machen?
- Anders kann ich Sie ja wohl schlecht untersuchen, oder?

Also hübsch schon, aber etwas seltsam. Womöglich eine Journalistin? Das fehlte mir gerade noch. Immerhin schaffte sie es, sich auf den Untersuchungsstuhl zu setzen, ohne dass ich ihr auch noch das erklären musste.

- Herzlichen Glückwunsch, Sie sind ja schon schwanger!
- Ich bin ja schon schwanger?
- Fünfte Woche, würde ich sagen.
- Aber nicht von Ihnen!
- Nein, das wüsste ich. Der wievielte Versuch war es denn?
- Der … wievielte Versuch?
- Frau Werner, wir sind hier auf IVF spezialisiert, aber Sie kommen – äh – Sie kommen aus Wien?

- Ich bin schwanger!
- Ja, sind Sie! Wissen Sie eigentlich, wie viele meiner Patientinnen sie jetzt glühend beneiden?

- Ich bin wirklich schwanger?
- Lassen Sie sich in vier Wochen den nächsten Termin geben. Sollten Sie schwanger bleiben wollen.

Ich glaube nicht, dass ich diese Frau je wieder sehen werde.



31. Sonnntag, 23. Juni, 15:00




Sie wisse, dass heute Sonntag sei, aber es sei extrem wichtig für sie, mit mir zu sprechen. Ich bestellte sie in die Kanzlei.

- Sie vertreten Herrn Wegenstein?
- Sollte er je wieder in Schwierigkeiten geraten, gehe ich davon aus.
- Welche Schwierigkeiten?
- Bevor Sie mir nicht sagen, wer Sie sind, werde ich diese Frage nicht beantworten!
- Ich bin zum Beispiel die Besitzerin dieses kleinen roten Handkoffers da drüben!

Sie zählte mir jedes einzelne Kleidungsstück auf, das sie da hinein gepackt hatte.

- Sie sind also Frau Iris Werner?
- Ja, die bin ich.
- Ok, und Sie waren mit Herrn Wegenstein in Italien?
- Ja, war ich! Wieso nennen Sie ihn eigentlich noch so?
- Weil er so heißt!
- Tut er nicht, ich habe ihn aufgesucht!
- Sie haben was?
- Ich war am Freitag bei ihm – in der Klinik!
- Das war sein prominenter Bruder!
- Das war sein BRUDER?

Und dann lachte sie. Mindestens fünf Minuten lang.

- Dieser Idiot!
- Da bin ich jetzt ausnahmsweise Ihrer Meinung.
- Weil – ich bin so – geben Sie mir seine Adresse? Es steht kein einziger Wegenstein im Telefonbuch, so klug war ich nämlich schon.

Ich bin mit ihr gemeinsam hin gefahren. Georg war aber nicht zu Hause.

- Wissen Sie, der ist viel unterwegs!
- Das ist mir egal, ich warte hier!
- Das kann die ganze Woche dauern!
- Dann warte ich eben eine Woche!

Ich empfahl ihr ein nettes Hotel in der Nähe.


32. Sonntag, 23. Juni, 13:00





Iris ist nicht nach Schwechat gekommen. Ich wartete und wartete, ich wollte es einfach nicht glauben. Sie hat mir doch die Tickets gezeigt. Irgendwann gab ich auf und fuhr nach Hause.

Vor ihrer Tür saß ein fremder Mann. Ich war hundemüde nach der durchwachten Nacht.

- Was tun Sie hier?
- Ich warte auf Frau Werner!
- Na viel Vergnügen, das tue ich schon seit gestern Nachmittag!
- Wieso?
- Was geht Sie das an?
- Nichts. Eigentlich. Verzeihen Sie!

- Schon gut, ich mache mir Sorgen.
- Warum?
- Wir wollten wegfliegen. Ich liebe sie. Sie ist nicht gekommen.
- Das wusste ich nicht, dass sie jemanden hat.
- Ist ja auch noch nicht so lange. Für mich seit dem 31. Mai.
- Seit WANN?
- Seit dem 31.5., da hab ich sie wirklich kennen gelernt.
- Das kann nicht sein, da hab ICH sie kennen gelernt!

- Wann?
- Am Nachmittag.
- Ach so, ich hab sie erst in der Nacht kennen gelernt.
- In der NACHT?
- Ja, in der Nacht, wieso schreien Sie eigentlich so?
- Weil das nicht möglich ist!

- Sicher ist das möglich, ich konnte nicht hinein und sie hat mir geholfen! Das hab ich alle schon dem Anwalt erzählt!
- Stimmt, das haben Sie dem Anwalt erzählt!

- Aber irgendetwas stimmt nicht, oder? Sie müssen die Wahnsinnige meinen!
- Welche Wahnsinnige?
- Die, die Iris verfolgt.
- Iris wird verfolgt?
- Ja, drum mache ich mir ja solche Sorgen. Was wollen Sie jetzt tun?

- Ich warte. Wobei ich nur bis morgen früh Zeit habe.
- Kommen Sie rein, warten wir miteinander.




33. Samstag, 21. Juni, 18:30





Fast hätte ich die kleine Meldung überlesen. Was interessiert uns Menschenhandel in Süditalien? Bei der Zeugenliste stand sie an erster Stelle: Iris Werner.

Siehst du, sagte Saskia zu Hause zu mir, du hast sie völlig falsch eingeschätzt.
Und woher willst du das wissen? Im Grunde kannte ich die Antwort, seit ich Frau Werner nicht in Steinhof angetroffen hatte. Bis heute hatte Saskia allerdings eisern geschwiegen.

- Werd´s los, du hast mir doch etwas zu sagen?
- Hab ich das?
- Ich glaub schon, ich hab nur dir von diesem „Zufall“ erzählt.

Und dann beichtete sie.

- Aber du warst es doch, der sie nach Steinhof gebracht hat!
- Und du hast jetzt einen neue beste Freundin?
- Lass uns sie besuchen!

Saskia bestand auch noch darauf, ihr einen Riesenblumenstrauß zu kaufen. Wir stiegen aus dem Lift aus, als eine Frau die Treppe hinunter rannte.
- Ist sie das?
- Ich glaub nicht!

Gibt es einen sechsten Sinn?
- Saskia, bleib hier, ich will diese Frau kurz überprüfen!

Wieder unten angekommen sah ich sie rasch Richtung U-Bahn-Station gehen. Und einen Mann, der sie offensichtlich beschattete. Da stimmte doch etwas nicht. Ich folgte beiden.

Samstag Nachmittag bei strahlendem Wetter saßen nicht allzu viele Fahrgäste in der U-Bahn. Wir fuhren bis „Neue Donau“. Die Frau eilte den Fußweg nach Bruckhaufen hinunter. Ihr Schatten versteckte sich hinter drei Müttern mit Kinderwägen und jeder Menge Badesachen. Ich versteckte mich gerade einmal hinter dem Blumenstrauß.

Die Frau sperrte ein Gartentor auf, der Mann rannte zum Vordereingang. Der Garten war ziemlich verwuchert, ich konnte kaum etwas sehen.

Als Nächste hörte ich jemanden graben. Ein Poltern aus dem Haus. Und einen Schuss.

Ich sprang auf der Vorderseite über den Zaun und ging in Deckung und schlich ums Haus. Der Schatten hatte die Schaufel in der Hand und grub neben der angeschossenen Frau weiter. Ich konnte keine Verstärkung rufen, das hätte er gehört.

Mir blieb nur der Überraschungseffekt. Mit meiner Glock im Anschlag wagte ich mir näher. Wir schossen gleichzeitig.

Ich danke Gott, wenn es ihn denn gibt, dass ich der bessere Schütze war. Obwohl so ein Bauchschuss ziemlich schmerzen kann.

34. Montag, 24. Juni, 11:00



Die halten mich hier wohl für senil. Ich merke das an ihren Blicken. Ich bin zwar taub, aber nicht blöd. Ich habe schon die dritte Schwester um Papier gebeten. Was will sie denn damit? muss sich die letzte dumme Kuh gedacht haben. Oder sie hat mich gar nicht verstanden, ich kann nicht so gut artikulieren. Keine Ahnung, was ihnen die Polizei erzählt hat.

Ich weiß nur mehr, dass ich auf jeden Fall niedergeschlagen wurde, bevor ich die Treppe hinunterstürzte. Und dann zum Telefon robbte und ALLE Notrufnummern wählte.

Seither sind fast drei Tage vergangen. Eigentlich hätte Sybille doch am Samstag kommen wollen.

Zwei Männer kommen herein, halten mir Ihre Ausweise hin und reden und reden. Bis sie endlich kapieren, dass ich taub bin.

Sie beschaffen Papier.

- Es tut uns leid, Ihre Tochter war nicht mehr zu retten!
- Was ist mit Sybille?
- Sie ist tot. Wir ermitteln noch. Der Mörder hatte keine Papiere bei sich. Seine Kleidung stammt aus Italien. Anscheinend wusste er aber von dem Geld.
- Welchem Geld?
- Dem, das in Ihrem Garten vergraben war.

Ich kann das nicht glauben. Also, dass Sybille tot ist, seltsamerweise schon. Aber woher in aller Welt hätte sie Geld haben sollen?



35. Montag, 24. Juni, 14:00



In der Pathologie wird kein Essen serviert. Ich habe mich trotzdem herein geschlichen. Wenn ich nicht mit der tauben Patientin von Zimmer 5003 Zetteln geschrieben hätte, wäre ich vielleicht nicht auf die Idee gekommen.

- Wie geht es Ihnen?
- Meine Tochter ist am Samstag gestorben, wie soll es mir gehen?
- Mein Beileid!

- Unser Verhältnis war nicht besonders gut.
- Sahen Sie sich selten?
- So kann man das nicht sagen, sie lebte bei mir. Bis vor drei Wochen. Und jetzt wollte sie ins Ausland!

- Heißt Ihre Tochter Iris?
- Nein, Sybille.

- Die Polizei hat mich so etwas Ähnliches gefragt.

- Was hat die Polizei gefragt?

- Ob mir der Name Iris Werner etwas sagt.

Ich ziehe den richtigen Kühlsarg auf. Und da liegt sie. „Meine“ Iris.



ENDE

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