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Nur ein Leben.
Mädchen, will dir Blumen geben
Stürz dich jetzt ins Liebesleben
Reich sie dir mit feuchter Hand
Breche deinen Widerstand
Schau ich hab sie selbst gepflückt
Denn ich bin nach dir verrückt
Braut, ich geb dir gern ein Sträußchen
Komm wir bauen uns ein Häuschen
Denn für unsre starken Hände
Gibt es ganz bestimmt kein Ende
Und wir werden Blumen setzen
Statt einander zu verletzen
Mama, will dir Blumen schenken
Darfst dir meine Verse denken
Halt sie fest mit kleiner Hand
Und ansonsten spiel ich Sand
Schau wie schnell ich größer werde
Dank der guten Pflanzenerde
Schnitt.
Ach, die Hände sind ja ab.
Blumen welken jetzt am Grab.
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Ich habe mein Spiegelbild zerschlagen. Dabei habe ich mir ziemlich weh getan, und eine Narbe ist auf meiner rechten Hand zurückgeblieben. Mein Leben zerfällt in vorher und nachher. Auch wenn es manch einer für unzulässig halten mag, ich erzähle mir jetzt die gleichen Geschichten, ich möchte sie aber anders leben. Dass ihr mich kennt, tut mir leid und nicht leid, ich habe euch schließlich alle gesehen, gehört und gespürt. Und mit jedem einzelnen von Euch meine Zeit, ein Stück von meinem Leben geteilt. Selbst wenn es nur einige Tage waren.
Ich bin eine große Schwester. Wenn meine kleine in meinen Träumen auftaucht, sind das meistens keine guten. Obwohl ich mich mit ihr schon so lange ausgesöhnt habe. Mein Vater hätte wohl gerne einen Sohn gehabt. Er liebt uns beide sehr. Und ich neige zur Verbrüderung.
Einer bezeichnet mich als „Chamäleonfrau“. Eine Büroehe sozusagen, die mich immer sentimental werden lässt, wenn ich ihn wieder sehe. Mittlerweile ist ihm das peinlich. Wahrscheinlich habe ich in wachem Zustand mit keinem Mann mehr Zeit verbracht. Deshalb glaube ich ihm ein bisschen. Er empfiehlt mir jetzt „Scheiß drauf“ als Lebensmotto. Das habe ich auch schon vorher einmal wörtlich genommen. Auf der A1, der schlimmsten Strecke, die ich kenne. Ziemlich auf der Höhe von Braunau, kurz bevor ich endgültig ausgerastet bin.
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Es war einmal ein kleiner Rabe, der wollte wissen, wie seine Zukunft ausschauen würde. Er fragte seine Eltern, die Rabenmama sagte: „Du wirst bestimmt einmal ein sehr freundlicher Rabe werden“ und der Rabenpapa fügte hinzu: „Und ein großer und starker!““ Könnt ihr mir das nicht genauer beschreiben?“ Da schüttelten seine Eltern den Kopf und lächelten. „Dann frag halt wen anderen“, schlug ihm der Rabenvater vor. „Tu das lieber nicht!“ sagte die Rabenmutter, „es ist besser, wenn man nicht alles vorher weiß.“
Natürlich hörte der kleine Rabe nicht auf seine Mutter, und flog stattdessen fort, um jemand anderen zu fragen.
Gleich beim nächsten Baum traf er den Affen. „Weißt du etwas über die Zukunft?“ fragte er den sofort. Da lachte der Affe:„Ich hangle den ganzen Tag von Ast zu Ast, ich freu mich über jede Banane, die ich da finde, was brauche ich über die Zukunft nachdenken? Morgen finde ich wahrscheinlich fünf Bananen, und übermorgen vielleicht sieben, und überübermorgen -“. „So meine ich das doch nicht!“ unterbrach ihn der kleine Rabe: „du sollst mir etwas über mich sagen!“ „Du gehst mich gar nichts an“, kicherte der Affe, „über dich werd ich mir den Kopf zerbrechen, also wirklich“.
Da flog der kleine Rabe weiter und auf einmal war neben ihm die Möwe. „Kannst du mir etwas über die Zukunft sagen?“ „Ei freilich“, erwiderte die Möwe, „es wird manchmal kalt und manchmal warm, und ich muss dann weiterziehen“. „Muss ich das auch?“ wollte der kleine Rabe wissen. „Das kommt darauf an, was du für ein Wetter brauchst“, sagte die Möwe, „bei den Raben kenne ich mich nicht so gut aus.“ Bis jetzt sind wir noch nie weiter gezogen, dachte der kleine Rabe, die Möwe weiß auch nichts.
Da sah der kleine Rabe das Eichhörnchen aus seinem Versteck kommen und fragte es seine Frage. „Nüsse sammeln musst du auf jeden Fall, damit du etwas hast, wenn du einmal keine findest!“ war die Antwort. „Ja aber, ich will meine Zukunft wissen, nicht was ich tun muss!“, rief der kleine Rabe. „Das ist das Allerwichtigste“, betonte das Eichhörnchen, „und verstecken musst du sie auch, damit sie dir keiner wegnehmen kann!“ Der Rabe schüttelte den Kopf . „Meine Zukunft“, sagte er noch einmal leise, aber das Eichhörnchen war zu beschäftigt, um ihm weiter zuzuhören.
Die Tiere konnten dem Raben also nicht helfen, so fragte er die Menschen. Der erste wies ihm den Weg zu einem berühmten Sterndeuter. Der kleine Rabe landete mitten auf seiner großen Sternenkarte. „Sag mir bitte etwas über meine Zukunft!“ „Aber gerne“ erwiderte der berühmte Sterndeuter „es kommt darauf an, wann und wo du geboren bist!“ „Wieso kommt es darauf an?“, fragte der kleine Rabe, „und außerdem weiß ich das gar nicht so genau“. „Das ist aber das Entscheidende, wenn du mir das nicht sagst, kann ich gar nichts ausrechnen!“ „Du kannst die Zukunft ausrechnen?“ freute sich der Rabe. „Deine nicht, das hab ich dir doch gerade erklärt! Außerdem könnte ich dir nur sagen, wo dich die Sterne hinziehen und das machst du dann einfach. Dann würde die Rechnung stimmen. Und jetzt flieg von meiner Karte herunter.“ Der kleine Rabe flog aber natürlich hinauf.
Es muss doch einen Menschen geben, der mir helfen kann, dachte der Rabe, die Menschen sollen doch so klug sein. Die klügsten Menschen seien die Hexen, fiel ihm da ein. Und schon sah er ein Knusperhäuschen mitten im Wald. Dort musste eine wohnen! Sie saß sogar auf der Bank neben der Tür und streckte ihre Hand als Landeplatz aus. „Du willst deine Zukunft wissen!“ stellte sie fest. Das habe ich ihr ja noch gar nicht verraten, dachte der Rabe, die kann mir bestimmt helfen. Und die Hexe fuhr fort:„Da bin ich aber die falsche, ich kann deine Zukunft nur ändern und das kostet natürlich sehr viel Geld.“ „Das hab ich nicht“, sagte der kleine Rabe, „das brauchen wir Tiere doch nicht!“ „Sei froh“, sagte die Hexe, „die, die es haben, ändern meistens das Falsche“. Das verstand der kleine Rabe nicht, aber die Hexe sagte nichts mehr dazu.
Der kleine Rabe war müde geworden. Er flog zurück in Richtung nach Hause, denn es dämmerte schon. Außer ihm war nur mehr der Uhu unterwegs. Obwohl der so grässlich krächzte, fragte der Rabe ein letztes Mal seine Frage. Und er merkte, dass sich der Uhu bemühte sein Gekrächze ein bisschen besser herauszubringen. „Duuuhu, duhuuuu, duhuuuuu“ schallte es im ganzen Wald wieder. „duuuhuuuu kchkchenuckckck kchkcheckchhört! Duuuhuuu,duuuhuuuu …
„Keiner weiß, wie meine Zukunft aussieht!“ beklagte sich der kleine Rabe bei seinen Eltern, „ich bin sehr enttäuscht!“ „Hat dir jemand was Schlechtes gesagt?“ wollte der Rabenvater wissen. „Hat dir jemand Angst gemacht?“ „Eigentlich nicht“ erwiderte der kleine Rabe. „Dann können die Antworten nicht so schlecht gewesen sein!“ meinte die Rabenmutter. Und als der kleine Rabe beim Einschlafen noch ein bisschen darüber nachdachte, fiel ihm auf, dass er den Uhu vielleicht doch verstanden hatte.
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Geht’s Ihnen gut, Klara? Danke ja, ich hab nur Liebeskummer. Fein, dann ist ja alles in Ordnung. Andreas gab mir recht, als ich ihm meinen Liebesabschiedsliebesbrief gab. Außerdem haben ihn meine Worte berührt. Aber er will er es weder wahrhaben noch haben, was ich ihm als Erklärung und Perspektive anbot. Es waren ja nur 8 Wochen Hin- und Hergerissenheit. Und ein Rückfall. Er wollte mit mir nur mehr Tennis spielen. Bald. Oder mir ein Freund sein, in welcher Intensität würde sich herausstellen. Normalerweise hätte ein Vergiss es reichen müssen.
gemischte gefühle
hin und her,
her und hin,
keine schlechte
spielerin.
dahin der herr.
die herrin hin,
weil ich blind ge-
wesen bin.
hinkend herr!
härter hin-
schlagen hat doch
keinen sinn.
hinterher
herz und hirn
unverbunden
weiterirrn.
hin und her
her und hin
passt nicht mehr für
yang und yin.
In jedem SMS stand sorry. Mir tut es auch leid. Mit ihm konnte ich über meine Schuld vernünftig reden. Meine große Schuld.
Ich habe Andreas eingeladen. Ich wollte, dass er zu Weihnachten bei mir ist. Ich hasse Weihnachten. Silvester auch.
Welcher Tag ist heute?
Heut ist Weihnachten, Omi, wir haben doch gerade erst die Lichter am Baum gelöscht.
Ah ja, meine Lieben, na Hauptsache wir sind gesund. Kann ich was zum Trinken haben? Welcher Tag ist heute?
Heut ist Weihnachten, Omi, deshalb bist du doch bei uns.
Ah ja, Leo, wer sind denn die Leute da?
Das ist deine Tochter und ihr Mann, und das sind die Anna und die Klara, deine Enkelinnen.
Nein, na geh, so groß schon. Und von wem ist das Kind? Hast du zwei Töchter, Klara?
Nein Omi, das ist ein Bub, das ist der Florian. Wir sind die Töchter von der Herta. Die Herta ist deine Tochter.
Ah ja, welcher Tag ist heute?
Heut ist Weihnachten, Omi, wir haben doch gerade die Geschenke bekommen.
Ah so, ich bin ja so vergessen, na macht nichts, Hauptsache wir sind gesund. Wo ist denn da das Klo?
Nur gerade nach hinten, die erste Tür.-
Wieso sind wir hier, Leo?
Weil heute Weihnachten ist, das ist deine Familie, die haben uns eingeladen.
Wo sind wir, Leo?
Wir sind in Wien, Greti, weil heute Weihnachten ist.
Ah – heut ist Weihnachten – weiß ich doch, kann ich noch was zum Trinken haben?
Es ist genug, Greti, das weißt du doch, du sollst nix trinken.
Ich hab Durst, welcher Tag ist heute?
Heut ist Weihnachten, Mama, merk´s dir doch!
Ich merk mir nix mehr, ich weiß es eh. Die Dirndln sind groß, sind das deine?
Nein, ich bin die Klara, du bist meine Omi, die Herta ist deine Tochter.
Jaja, weiß ich doch, aber zu wem gehört jetzt wieder der Johannes?
Er heißt Florian, Omi, er ist das Kind von der Klara.
Na geh – wie die Zeit vergeht. Na Hauptsache wir sind gesund. Welcher Tag ist heute?
Und dann hab ich mich auf Silvester gefreut.
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Es gab nicht viele Blonde in meinem Leben. Niki war der Blondeste. Es steckt ein bisschen Vernunft in jedem Wahn, sagte er am Ende, und ein bisschen Wahn in jeder Vernunft. Damals wusste ich noch nicht, dass das von Nietzsche ist. Ich hätte ihm sogar diese Weisheit zugetraut.
Von Niki habe ich mich brechen lassen.
Ich habe ihn vorausgesehen – . Ich nannte ihn Nickolaus I.Schpieghel, und ich schrieb das fiktive Vorwort zu seinem Buch über die Internetgeneration. Was ist deine größte Schuld, fragte mich der echte Nikolaus. Ich habe ihm die Frage beantwortet. Alles andere kam mir zweitrangig vor. Ihm nicht. Er wollte, dass ich mein Leben aufschreibe. Ich fing oft an, mit starken Worten, mit schwachen Worten, mit falschen Worten, aber ich fand keine anderen. Die erste Version habe ich vernichtet.
Niki gab sich in der psychosomatischen Klinik als mein Ehemann aus. Wir waren aber nur verlobt. Es war sehr schwierig gewesen, Ringe auszusuchen. Beim ersten Mal kannte ich Günter gerade drei Wochen. Wir schauten in die Auslage des Juweliergeschäfts. Wir gingen hinein und er wünschte, Eheringe zu sehen. Mir hat das Spaß gemacht, ich dachte, wir veralbern die Verkäuferin ein bisschen. Als wir uns auf ein Paar geeinigt hatten, ging er zur Kassa und bezahlte sie. Ich erlebte den Film neuneinhalb Wochen – in einer sanfteren Variante. Als ich ihn kennen lernte, wollte ich mich verkaufen. Denn ich war mir gerade ziemlich egal. Am Vorabend hatte mir der Mann, den ich damals liebte, eröffnet, dass er am Wochenende die Frau seines Lebens getroffen hätte. Am meisten war ich darüber wütend, dass wir vorher den ganzen Nachmittag im Bett verbracht hatten. Dass ich in das Zuhälterlokal ging, empfand ich nicht als Selbsthass, eher als heimliche Rache. Eineinhalb Jahre später heiratete ich den vermeintlichen One-Night-Stand. Bei meiner zweiten „Verlobung“, war ich noch nicht geschieden. Mit Niki war keine Entscheidung einfach. Er konnte aus einer Fahrt zum Supermarkt ein Riesenproblem machen. Wegen der Ringe waren wir in mindestens zehn Geschäften. Im Grunde war es mir ganz egal. Denn ich hatte begonnen, mich völlig aufzugeben. Du bist für mein Leben verantwortlich, sagte er zu mir, und er meinte jeden Atemzug, jedes Gefühl, das er hatte, er meinte alles. Er bestand darauf, dass ich ihm von allen Männern, mit denen ich je zu tun hatte, erzählte. Ich brauchte ziemlich lange. Als ich damit fertig war, konnte er mich nicht mehr anschauen. Er war auf alles eifersüchtig, er fragte mich nach jedem Blick, nach jedem Gespräch, er ließ mich nirgends alleine hingehen, er isolierte mich völlig von meinen Freunden und von meiner Familie. Ich musste immer an einen Schutzhund denken. In meiner gerade ausbrechenden Psychose wurde er für mich zum Wolf. Wir sind wie Hund und Katze, sagte ich zu seinem Vater. Und schilderte ihm ausführlich, wer mich aller verfolgte. Der meinte nur, ich hätte zu viel gelesen. Da war ich schon ziemlich paranoid.
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Niki wollte Weihnachten mit mir verbringen, an dem Ort, wo wir einander kennen gelernt hatten. Nur wir drei – er, ich und Florian. Den hatte er auf seiner Seite, leider. Nach einer durchwachten Nacht, sagte ich am Morgen den Urlaub ab. Vorher hatte ich mich zwei Wochen lang täglich zwei Stunden am Telefon für einen Blick auf einen fremden Mann rechtfertigen müssen. Dabei hatte ich mich zum ersten Mal seit langem entspannt gefühlt und einfach in einer Gondel vor mich hin gelächelt. Es war jemand vis a vis gesessen. Beim Autofahren war es auch nicht einfach – ich konnte sogar das schon mit gesenktem Blick. Am Abend desselben Tages sagte ich unsere Zukunft ab. Er brachte mir mein Auto zurück, das hatte er sich oft ausgeborgt, dann stand es ein oder zwei Wochen in Frankfurt und ich war ohne ihn weniger mobil.
Ich bin ihre letzte Chance, eine anständige Frau zu werden, sagte er zu meinem Vater. Das Sexualleben meiner Tochter diskutier ich mit dir nicht, Niki. Meine Eltern haben mir damals sehr geholfen. Eine Freundin auch, die war am Anfang des letzten Gesprächs noch dabei – auf seine ausdrückliche Einladung. Denn dass ich mich vor ihm fürchtete, war ihm mittlerweile klar geworden. Ich hätte keine Stunde mehr mit ihm allein verbringen können, ich schlief bei meinen Eltern. In der Nacht rief er oft an. In der Früh legte er mir einen Zettel vor, auf dem stand, wie viel ich ihm für das gebuchte Zimmer schuldete. Ich bezahlte. Und sah ihn nie wieder. Als er das unbedingt wollte, ließ ich meine Telefonnummern ändern.
Aber du hast das alles zugelassen, Klara. Und Florian war die ganze Zeit dabei.
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Die Mama fährt mit dem Florian fort. Sie hat den Papa gefragt, ob er nicht doch mitkommen will, aber der Papa hat gemeint, das ginge sich jetzt einfach nicht aus. Im Auto sagt die Mama: „Das ist wohl auch besser so. Manche Dinge kann man nicht mehr ändern.“ Im Hotel sitzt eine Familie aus Tirol am Nebentisch. Da sind zwei größere Buben und ein Baby. Der Florian ist ganz stolz darauf, dass die zwei Großen mit ihm durchs Hallenbad toben. Und im Schikurs ist er gleich am zweiten Tag in eine schnellere Gruppe gekommen.
Am Ende der Woche gibt es ein Rennen in der Schischule. Der Florian ist schon ganz aufgeregt, er wird sicher gewinnen, denkt er. Die Mama sagt, dass da aber auch viel größere Kinder mitfahren und die haben einfach mehr Gewicht und könnten deshalb schneller sein. Das ist dem Florian egal, die Mama verspricht ihm zuzuschauen. Die Kinder dürfen sich die Strecke anschauen, und die Mama ist auch auf dem kleinen Hang. Der Florian fährt so schnell er kann hinunter. Zwischen den Toren geht er sogar richtig in die Abfahrtshocke. Das hat er letzte Woche geübt.
Erster wird der Florian nicht, aber er bekommt trotzdem eine Medaille und eine Urkunde. Auf der steht, dass er den fünften Platz gemacht hat. „Immerhin“, sagt die Mama, „da hast du dich gegenüber dem Vorjahr ja ganz schön gesteigert“. „Ich bin der Niki“, sagt der Niki, „und du musst der Florian sein, deine Mama hat mir schon so viel von dir erzählt. Gratulier dir“, sagt der Niki, „du bist ja der reinste Rennfahrer.“ Das freut den Florian. Der Niki trägt die Schi vom Florian und von der Mama und begleitet sie bis zur Busstation. Als sie dort warten, fragt der Niki, ob der Florian Snowboardfahren probieren möchte. „Aber wir fahren doch morgen nach Hause“, sagt der Florian zur Mama. „Dann fahren wir eben später“, sagt die Mama, „wenn du es möchtest, können wir das machen.“
Am nächsten Tag gehen sie gleich als erstes in ein Sportgeschäft und borgen sich zwei Ausrüstungen aus, denn die Mama will es auch versuchen. Am Hang erklärt der Niki ganz genau, wie es geht. Der Florian hat es schnell heraußen, die Mama fällt viel öfter nieder. Und der Niki zieht den Florian immer bergauf, die Mama muss selber gehen. Erst am Nachmittag sagt die Mama, dass sie endlich fahren müssen. Der Niki verspricht dem Florian, dass er ihn besuchen wird.
Drei Wochen später kommt der Florian aus der Schule und sieht neben der Mama den Niki stehen. Da läuft er los und fällt ihm um den Hals. „Na, das ist ja eine Begrüßung“, sagt der Niki, hebt ihn hoch und dreht sich ein paar Mal mit ihm auf dem Gehsteig herum. „Zeig mir euren Park“, sagt der Niki, und der Florian freut sich, dass sie nicht gleich nach Hause fahren. „Einen Parkschein für den Park“, sagt die Mama, und alle lachen. Später sitzen sie beim Burgerking und der Papa kommt auch hin. Der Florian ist ganz still, nur die Erwachsenen reden. Der Papa schaut den Niki ganz genau an, der Niki schaut immer nur die Mama an, und die Mama schaut den Florian an. „Komm wir gehen heim“, sagt der Papa zum Florian. „Ich will beim Niki bleiben“, sagt der Florian, der Niki ist lustiger, denkt er. Die Mama fragt den Papa, ob ihm das Recht ist. „Ich hab eh was zu tun“, sagt der Papa, „macht, was ihr wollt.“ „Der Niki wohnt in der Wohnung von der Tante Anna“, sagt die Mama, „dann gehen wir halt dorthin.“
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Der Florian muss sich in die Mitte setzen. Die Dame gegenüber hat sehr lange Haare und eine dicke Brille. Sie schaut ihn an und fragt ihn, ob er etwas wissen möchte. Der Florian weiß nicht, was er die fremde Dame fragen soll. Die Mama und der Papa haben ihm erklärt, dass er ab jetzt jedes zweite Wochenende und einmal unter der Woche beim Papa schlafen wird. Der Florian wird dort auch ein Kinderzimmer bekommen, der Papa war mit ihm schon einmal im Rohbau und hat es ihm gezeigt. Das Zimmer ist sogar größer als das, das er jetzt hat. Und die Mama sagt, der Papa kann die jetzigen Möbel haben, der Florian bekommt eine neue Einrichtung bei ihr. Da sucht sich der Florian ganz allein ein Hochbett und einen Kasten aus. Die Mama kauft noch eine Kommode, einen Schreibtisch, einen Sessel und ein paar Regale dazu. Sie räumen alles aus und streichen sogar die Wände neu. Der Florian findet ein paar Sachen wieder, die er schon lange vermisst hat. Beim Zusammenbauen darf der Florian helfen. Seinen Sessel baut er ganz alleine nach der Anleitung. Er findet dass das sogar einfacher ist, als seine Legoautos.
„Du darfst das Feuer nicht ausgehen lassen“, sagt der Niki und der Florian bemüht sich eine Woche lang. Das ist gar nicht so einfach, weil es so viel regnet. Überhaupt hat sich der Florian das ganz anders vorgestellt. Er mag lieber mit den Nachbarskindern spielen, aber die kommen nur einmal auf Besuch. Die Mama schaut ziemlich müde aus. Sie sagt einmal „Das artet ja in reinste Arbeit aus!“ „Nur nicht schlapp machen!“, sagt der Niki und lacht. Ab und zu dreht der Niki den Generator auf, dann haben sie wenigstens ein bisschen Strom. Den brauchen sie aber nur zum Kochen und zum Abwaschen. Der Florian kann nicht einmal seinen Gameboy aufladen, es gibt auch keinen Fernseher. „Das schadet dir gar nicht“, sagt der Niki, „komm, mach dich nützlich!“ Der Florian mag aber nicht schon wieder aufräumen, die Mama auch nicht. Und spazieren gehen mag der Florian auch nicht, und auch nicht zum Einkaufen fahren. Die Mama und der Niki streiten ziemlich viel. Der Niki mag es gar nicht, wenn die Mama nein sagt. Er fragt sie immer, ob sie nicht irgendetwas machen will. Und wenn sie das dann nicht sofort tut, ist er beleidigt. Wenn sie es tut, dann ist es ihm aber auch oft nicht Recht, wie sie es tut und das sagt er ihr dann. Vorsichtshalber macht der Florian deshalb alles, was der Niki sagt.
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„Schon wieder der Niki, Mama“, sagt der Florian, als das Telefon zum vierten Mal klingelt. „Ich wasch mir grad die Haare“, ruft die Mama aus dem Badezimmer, „sag ihm ich ruf zurück.“ „Wieso ruft der Niki jede halbe Stunde an?“, fragt der Florian später. „Weil er uns so vermisst, nehm ich an“, sagt die Mama und verdreht ein bisschen die Augen. „Aber er kommt ja eh bald wieder, da fahren wir dann gemeinsam weg.“ „Wohin?“, fragt der Florian. „Ins Burgenland, das wird dir gefallen“, sagt die Mama, „zu Ostern waren wir schon dort“. Da fällt dem Florian ein, dass er da ja bei seiner Omi war, und die Mama ihn von dort mit dem Niki abgeholt hat. „Wohnt der Niki im Burgenland?“, fragt der Florian. „Nein viel weiter weg, in Deutschland und dort fahren wir auch einmal auf Besuch hin“, sagt die Mama. Da freut sich der Florian auf zweimal wegfahren, ohne dass überhaupt Ferien sind. Weil der Niki ein Nilpferd hat, mit dem er ganz viel redet, nimmt der Florian sein Küken mit ins Burgenland und redet mit dem. Die Mama borgt ihm ihren Fotoapparat und der Florian fotografiert die Kuscheltiere alleine und zu zweit, und den Niki und die Mama genauso. „Wirst du die Mama heiraten?“, fragt der Florian. „Kann gut sein“, sagt der Niki, „ich hab euch beide nämlich sehr lieb“. „Zuerst muss ich einmal geschieden sein“, sagt die Mama, und der Florian erklärt dem Niki, dass er sein bester Freund über dreißig ist.
Die Mama hat dem Florian ins Heft geschrieben, dass er früher abgeholt wird. Und jetzt sitzen sie in einem ganz schnellen Zug, der aber trotzdem fast sieben Stunden bis nach Frankfurt braucht. Der Niki wohnt wirklich weit weg, denkt der Florian, bevor er ein bisschen einschläft. Vom Bahnhof fahren sie mit dem Niki noch eine halbe Stunde, die Mama sagt, das ist aber eine schöne Gegend. Als sie ankommen, gibt der Florian allen die Hand und grüßt laut, ohne dass ihn die Mama dazu auffordert. „Mein Vater und die Annemarie“, sagt der Niki, die Mama hat dem Florian schon erzählt, dass die im selben Haus wohnen. Auf der Straße sieht der Florian Kinder Roller fahren und mit einer Kiste auf Rädern rutschen. „Ist das nicht gefährlich?“, fragt die Mama. „Du kannst gleich mitspielen“, sagt der Niki, „das sind die Kinder von den Nachbarn. Hier kommt nie ein Auto vorbei“, sagt er dazu, „und wenn, dann wissen die Leute schon, dass hier Kinder spielen.“ Die Mama meint, dass die Kinder aber ein ganz schönes Tempo drauf kriegen, weil die Straße so steil ist. Der Florian will nur ein bisschen zuschauen und das darf er dann auch.
Am nächsten Tag zeigt der Vater vom Niki dem Florian seine Eisenbahn. Das ist eine ganz große Anlage, die nimmt fast den ganzen Keller ein. Der Florian darf die Weichen stellen, dazu muss er sich selber auf einen Sessel stellen, damit er alles gut überblickt. Ein Zug bleibt hängen, da möchte der Florian gerne unter den großen Tisch kriechen und das in Ordnung bringen. Der Vater vom Niki erlaubt es ihm aber nicht, das kann nur der Niki machen. Beim Niki und bei seinem Vater in der Wohnung schaut es auch sonst lustig aus. Es stehen überall Stofftiere herum. Der Florian wundert sich ein bisschen, er denkt, da wohnt doch gar kein Kind.
„Und jetzt gibt es eine Überraschung“, sagt der Niki, „kommt einfach mit in die Garage!“ Der Florian geht mit der Mama durch das Tor. Drinnen sitzen ganz viele Leute, lauter Erwachsene und ein Hund und ein großer Bub. Der Tisch ist gedeckt und der ganze Raum ist geschmückt. Mit Girlanden aus rosa Herzen und ganz vielen Lampions. Der Florian sieht das alles und fragt sich, was denn da gefeiert werden soll. Der Niki sagt, „das ist die Klara, meine Verlobte, und das ist der Florian, der wird ab jetzt mein Söhnchen sein.“ Die Mama schaut ganz verdattert und der Florian entdeckt hinten ein Motorrad. Das will er genauer betrachten und läuft in die Garage hinein. Die Mama schüttelt den fremden Leuten der Reihe nach die Hände. Und sagt: „Ich glaub, ich bin falsch angezogen.“ Dann trinkt die Mama drei große Gläser von der Maibowle in einem Zug hintereinander aus. Der Niki borgt dem Florian seine Digitalkamera und sagt, er soll fotografieren, was er mag. Der Florian fotografiert das Motorrad und den Hund. Und alle Leute von hinten. Denn die sitzen jetzt da und essen und trinken.
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Die Mama spielt mit dem Florian und dem Niki Uno. Als das Spiel fertig ist, dreht die Mama den Stapel um und sagt zu jeder Karte einen Satz. Der Florian versteht nicht, was die Mama zu den Zahlen sagt. Mitten in der Nacht weckt der Niki den Florian auf. Dann schreit er die Mama an „Reiß dich vor deinem Kind zusammen!“, und der Florian sagt, dass er müde ist. Die Mama weint und sagt, es ist alles in Ordnung, der Florian soll weiterschlafen. In der Früh mag der Florian gar nicht aufstehen. Die Mama sagt, es ist in Ordnung, dann fahren sie eben einen Tag früher nach Deutschland, sie müssen sowieso weg. Als es läutet, erschrickt die Mama ganz furchtbar und packt noch schneller. Der Florian freut sich, dass er nicht in die Schule gehen muss. Im Auto ist die Mama ganz starr oder redet ganz komisch. Sie ruft eine Tante an, und sagt der, sie soll sich keine Sorgen machen. Dann will sie ihr Handy aus dem Fenster werfen. Der Niki fährt ziemlich schnell. Sie bleiben nur zweimal stehen. Einmal muss die Mama aufs Klo und traut sich gar nicht vom Auto weg. Das zweite Mal küsst die Mama den Niki und sagt, das musste sie genau hier tun.
In der Nacht geht der Florian zur Mama und zum Niki ins Zimmer. Die Mama fragt ihn, ob er ein gutes Versteck weiß. Da zeigt er der Mama die große Ritze zwischen dem Bett und der Wand, und sagt, da passt er sicher hinein. Die Mama beruhigt sich aber nicht, sondern sagt dem Florian ein Gedicht auf. Das muss der Florian dann wiederholen. Er weiß zwar nicht, wofür das gut sein soll, aber der Mama will er im Moment nicht widersprechen. Am Morgen geht die Mama ins Badezimmer und bleibt ziemlich lang drinnen. Der Florian hört, was sie dort für einen Lärm macht und wie sie laut „Feuer“ ruft. Als sie der Niki herausholt, hat sie eine ganz komische Frisur und ganz blutige Hände. Der Vater vom Niki kommt herauf, schaut sich die Hände an und verbindet die Mama irgendwie – und er sagt, sie müssen sofort zum Arzt. Die Mama will unbedingt, dass der Florian mitkommt. Im Auto schreit die Mama ganz laut mit dem Vater vom Niki und dem Niki, und stemmt die Füße ganz fest gegen die Fenster, der Florian hat sie so noch nie gesehen. Als sie endlich beim Arzt sind, sehen sie einen Mann, der die Treppe hinunterhinkt. Die Mama will nicht aussteigen, bevor der Mann nicht weg ist. Dann sagt sie, dass es in dem Zimmer ganz furchtbar riecht, das ist sicher ein Betäubungsmittel. Der Arzt weigert der sich, die Mama zu behandeln, er sagt, sie müssten mit ihr ins nächste Krankenhaus fahren.
Im Krankenhaus muss die Mama ein Formular ausfüllen. Das tut sie mit der linken Hand, denn wirklich verletzt hat sie sich nur die rechte. Dann warten sie vor dem Röntgenzimmer. Die Mama redet plötzlich mit allen Leuten, der Florian sitzt zwischen ihr und dem Niki und der Vater vom Niki stellt sich zum Gang. Die Mama sagt, dass die Wand die Türe ist. Oder dass der Mann im Pyjama ihr Großvater ist. Oder dass die Leute keine Angst haben sollen. Dann sagt die Mama, dass der Florian mit zum Röntgen hinein gehen soll, das ist aber nicht erlaubt. Plötzlich bringt jemand eine kleine Schürze zum Schutz vor den Röntgenstrahlen und der Florian darf doch mit hinein. Aber die Mama wird dann gar nicht geröntgt. Stattdessen gehen sie ins Nebenzimmer und die Mama zieht sich ganz viele Glassplitter mit einer Pinzette selber aus der Hand. Eine Schwester hält ihr nur eine Flüssigkeit zum Desinfizieren hin, da steckt die Mama zwischendurch die Hand hinein. Dann kommen ein Mann und eine Frau, die keine weißen Kittel anhaben und reden mit der Mama. Die Mama will unbedingt, dass alle Türen geschlossen sind. Sie erzählt den zwei normal angezogenen Leuten, dass sie sicher ist, dass sie alle in Gefahr sind. Besonders der Florian, der soll entführt werden. Der Mann telefoniert, während die Mama jetzt einen Verband von der Schwester bekommt. Der Mann sagt, er versteht die Mama, er hat jetzt ein Rettungsauto bestellt, mit dem können sie aus dem Krankenhaus herausfahren. Die Mama will in die Kapelle, während sie auf das Rettungsauto warten. Aber dann stürmt sie aus der Kapelle ganz schnell wieder heraus, und sagt, die Madonna hat sie angeknurrt. Der Florian hat nichts gehört.
Dann steigt der Florian mit der Mama und dem Niki in das Rettungsauto. Dort wird die Mama auf einem Sitz festgeschnallt. Der Florian muss sich auch anschnallen, der Sanitäter erklärt ihm, das ist eine Vorschrift. Die Fahrt dauert nur ganz kurz, und als sie aussteigen, warten drei Leute auf sie. Die Mama soll eine Tablette schlucken, aber die spuckt sie gleich wieder aus. Die Leute halten die Mama fest und geben ihr noch eine, die nimmt sie dann. Und dann wird die Mama zu einem kleinen Zimmer geführt und die Leute sagen zu ihr, sie soll sich ins Bett legen.
Der Niki sagt zum Florian, dass er die Mama nicht besuchen darf, aber dass es ihr bald besser gehen wird. Und er fragt ihn, ob er nicht in Deutschland bleiben möchte. Darauf sagt der Florian nichts. Jeden Tag über ernten sie Äpfel, am Nachmittag kommen die dann alle in eine große Presse. Der Niki sagt, er bringt der Mama ein paar Äpfel mit. Der Niki darf die Mama nämlich sehen. Aber er sagt, sie schläft die meiste Zeit. Und dass sie nach dem Florian gefragt hat. Am fünften Tag, sagt der Niki, der Florian darf jetzt einmal mitkommen. Als sie in der Klinik sind, freut sich die Mama sehr. Und sie besteht darauf, dass sie der Niki nach Hause bringt. Der Niki will das zuerst nicht machen, aber dann spricht ein Arzt lange mit der Mama und dem Niki, und der Niki muss etwas unterschreiben und sie gehen zum Auto. Die Mama sagt, sie will sofort nach Wien zurück, genau das hat der Niki unterschrieben. Und dass es ihr Auto ist, und sie zur Not selber fährt. Da gibt der Niki nach und sie fahren los.
Die Mama sagt zum Florian, dass der Niki nie wieder kommen wird. Da muss der Florian weinen. Er sagt, er hätte sich gern von ihm verabschiedet. Der Niki war sein Freund. Die Mama sagt, er soll ihm stattdessen einen Brief schreiben. Das will der Florian aber nicht. Er sagt, „ich steh nie wieder auf.“ Und er haut mit seinem Kopf ganz oft gegen die Wand. Es tut ziemlich weh. Die Mama versucht, ihn festzuhalten. Und weint dabei. Einmal fragt die Mama, ob der Florian sich mit ihrer Therapeutin unterhalten will. Sie erklärt ihm, was das ist. Der Florian sagt, „du brauchst das, ich nicht.“ Damit gibt sich die Mama zufrieden.
Ein paar Monate später fragt die Mama den Florian, ob er noch an den Niki denkt. „Manchmal“, sagt der Florian.
Weißt du Mama, der Niki war wie ein Kind. Da hast du recht, aber mein Kind bist du.
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