Sonntag, 8. Juli 2007

15

Pass auf dich auf, die Ehefrauen sind am leichtesten zu haben. Das wusste ich damals noch nicht. Ich hätte darauf hören sollen. Ich dachte, es sei eine Frage der Versuchung. Oder der Langeweile. Heute weiß ich die Langeweile zu schätzen.
Günter wird wieder heiraten. Das ist mir nicht egal. Leider. Dem Florian auch nicht.
„Wir möchten mit dir reden“, sagt die Mama zum Florian. Der Papa steht daneben und schaut ganz ernst. „Jetzt nicht, geht das ein andres Mal?“, fragt der Florian, er schaut sich gerade seine Lieblingssendung an. Die Mama meint, ein bisschen später geht auch, nach der Sendung soll der Florian den Fernseher abdrehen. Das will er eigentlich nicht, er will gar nicht hören, was die Eltern ihm sagen werden. Die Mama hat so komisch telefoniert in letzter Zeit und wieso ist der Papa heute überhaupt schon zuhause? Manchmal folgt der Florian nicht, aber da kommt die Werbung und die Eltern sitzen immer noch neben ihm. Also muss er jetzt die Fernbedienung nehmen und auf den roten Knopf drücken.
„Wir lassen uns scheiden“, sagt die Mama. Florian sagt nichts. „Du weißt schon, wie bei Susi und Sandra.“ Susi und Sandra haben früher einen Stock über dem Florian gewohnt. Dann sind sie weggezogen, mit ihrer Mama. „Muss ich umziehen?“, fragt der Florian. „Nein, ich ziehe aus“, sagt der Papa, „aber nicht gleich, ich muss mir erst eine Wohnung suchen.“ „Warum musst du dir eine Wohnung suchen“, fragt der Florian, „du wohnst doch hier?“. „Das geht nicht, wenn man geschieden ist“, sagt die Mama, „da lebt man nicht mehr zusammen.“ „Wo soll ich denn dann wohnen?“, fragt der Florian und bekommt ein bisschen Angst. „Ich will aber zusammenleben“, sagt er dazu, obwohl er das Wort gar nicht so genau kennt.
„Was magst du essen“, fragt die Mama. „Ich mag nix essen“, sagt der Florian, „darf ich noch ein bisschen fernsehen?“. „Du musst doch was essen“, sagt die Mama, „du bist eh so dünn“. Dann geht sie in die Küche. Florian hat genau gesehen, dass sie zu weinen angefangen hat. Der Papa streichelt ihm über den Kopf. Das mag der Florian besonders gern, er hat ganz kurze Haare, da kann man so schön dagegen fahren. „Du wirst hier bleiben“, sagt der Papa, „und mich wirst du ganz oft besuchen“. „Hier mit der Mama?“, fragt der Florian. „Ja, nur mit der Mama, das haben wir so ausgemacht.“.
„Wer soll dich ins Bett bringen?“, fragt die Mama nach dem Abendessen. Der Florian lässt sich gern ins Bett bringen. Er sucht immer aus, wer das tun darf. Wenn Besuch da ist, sucht er sich sogar oft den aus. Die Tante Anna zum Beispiel oder den Karli-Opa. „Beide“, sagt der Florian heute, „Mama und Papa bringen mich ins Bett“. Die Eltern schauen einander an. „Okay“, sagt der Papa, „aber die Mama liest vor“. Das ist gut, denkt der Florian, die Mama liest nicht so schnell, und immer das ganze Kapitel. Der Papa hört immer schon nach zwei Seiten auf. „Putz dir die Zähne“, sagt die Mama und der Florian geht ins Badezimmer. Er lässt die Tür offen und horcht ein bisschen. „Glaubst hat er es verstanden?“, fragt die Mama den Papa. „Er wird es schon verstehen“, sagt der Papa, „jetzt ist es noch zu abstrakt“. Das letzte Wort hat der Florian überhaupt noch nie gehört.
Die Mama liest schon das zweite Kapitel, der Papa sitzt am Boden und hört auch zu. Der Florian ist müde, er war den ganzen Nachmittag im Hof unten und ist herumgerannt. Er mag noch bitten, dass ihm die Mama den Bauch krault, aber da fallen ihm die Augen zu.
Der Florian geht schon seit einem Monat in die Schule. Eigentlich gefällt es ihm dort recht gut. Er kennt fast alle Kinder aus seiner Klasse noch vom Kindergarten. Er sitzt neben seinem Freund, dem Maxi. Auf der anderen Seite sitzt die Lena, die hat die schönste Schrift in der Klasse. Aber manchmal schwätzt sie auch. Und der Florian hat auch jedes Mal ein Sternchen unter seiner Aufgabe.
Die Lehrerin ist sehr lieb. Heute kann der Florian ihr aber gar nicht so gut zuhören. Außerdem hat er seine Karten zum Tauschen vergessen. In der Pause stellt sich der Florian im Schulhof ganz an den Rand und tritt nach kleinen Steinen. Der Maxi kommt dazu und packt ein paar Murmeln aus. Als der Florian in seiner Hosentasche sucht, findet er auch drei. Jetzt können sie damit spielen.
Zuerst legt der Maxi seine rote Murmel hin. Der Florian darf mit dem Schießen anfangen. Wenn er die Murmel vom Maxi jetzt mit seiner trifft, gehört sie ihm. Und wenn er sie verfehlt, ist der Maxi dran. So haben sie sich die Regeln ausgemacht. Der Florian hat so schon viele Murmeln gewonnen. Und er trifft die rote Murmel vom Maxi auch, aber seine eigenen rollt direkt einem größeren Bub vor die Füße. Der Florian kennt den, weil er mit dem großen Bruder vom Maxi in eine Klasse geht. „Die gehört jetzt mir“, lacht der Bub und steckt die Murmel ein. „Das ist meine!“ ruft der Florian, „gib sie sofort zurück!“ „Hol sie dir, wenn du dich traust“, sekkiert ihn der große Bub und rennt weg. Das ist dem Florian und dem Maxi schon öfter passiert, und normalerweise gehen sie dann zur Lisa, das ist die Pausenaufsicht. Das ist nicht richtig petzen, die Kleinen wollen nur ihr Eigentum zurück. Und wenn es die Lisa den größeren Buben anschafft, rücken die ihre Beute auch wieder heraus. Der Maxi will schon die Lisa suchen gehen, aber der Florian sagt, es ist egal, er braucht die Murmel sowieso nicht mehr.
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hier fehlt was;-)

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