Montag, 2. Dezember 2013

branka

mein beitrag zur integrationsdebatte, teil 5

wurde in österreich geboren, genau wie ihre beiden schwestern. als sich die mutter zu einer zeit scheiden ließ, als das noch nicht allgemein üblich und für jugoslawische gastarbeiterinnen eher noch ganz undenkbar war, kamen branka und ihre ältere schwester zurück zu den großeltern und nur die kleinste wuchs in wien auf. die älteste blieb in serbien, branka zog es mit sechzehn nach wien zurück.

beim greißler ums eck durfte sie aushelfen, der brachte ihr einmal alle lebensmittelnamen auf deutsch bei, das war ein anfang. einen sprachkurs musste sie nie machen, schließlich hatte sie die staatsbürgerschaft ja immer schon.

als ich sie kennenlernte, arbeitete sie schon lange als hilfskraft bei kodak, und nebenbei verdiente sie sich durch putzen was dazu. die schlimmsten fotos würden sie anzeigen, erzählte sie mir, es sei unglaublich, was manche leute einander oder tieren antun würden. die bilder in ihrem kopf würde sie da gar nicht so schnell los.

dass ihr mann so schlecht deutsch spricht, obwohl er fast so lange in wien ist wie sie, regt branka auf. ihn weniger, aber bei der durchaus ambitionierten schulwahl für die kinder hat sie sich durchgesetzt. und beim großen von anfang an gleich alle aufgaben mitgemacht, es ärgert sie immer noch, dass ihre rechtschreibung nicht besonders ist. immer seltener musste sie ihre schwester zu rate ziehen.

branka wohnt in einem gemeindebau, die erste wohnung war schon für drei sehr klein und für vier äußerst beengt. eine ältere dame auf einer anderen stiege desselben hauses bot ihr einen wohnungstausch an, mit dem jetzt alle glücklich sind.

später arbeitete branka in einem nobelrestaurant. dem chef war sie durch ihre gute auffassungsgabe aufgefallen, hässlich ist sie auch nicht. als er sie einmal zu einer schicki-micki-veranstaltung als begleitung mitnahm, stellte sich einer der anwesenden als „der berühmteste schauspieler österreichs“ vor. branka erklärte ihm umgehend, dass sie leider nur italienische filme mag.

branka geht noch immer putzen.
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kombina - 3. Dez, 18:50

schöner Beitrag,

doch fürchte ich, dass die Integrationsdebatte noch wesentlich schärfer geführt werden müsste: die Mittelschicht betreffend nämlich. Soziale Barrieren behindern nicht nur Menschen mit Migrationshintergrund.

Ich erspar' Ihnen und Ihren Leserinnen eine Wiederholung der sattsam bekannten mittelschichtigen Ausgrenzungsstrategien. Stattdessen möchte ich Sie und Ihre Leserinnen darauf hinweisen, wie die Mittelschicht von der Oberschicht immer schneller und effektiver abgehängt wird. Und das, wo die Mehrheit der Mittelschicht sich anscheinend unbeirrbar im unmittelbar bevorstehenden Übertritt in die über ihr liegende soziale Schicht wähnt.

Der mittelschichtige Selbstbetrug müsste mE viel stärker gesellschaftlich thematisiert werden. Dass die Angst vor Präkarisierung die Mittelschicht durchfurcht, ist nicht mehr zu verleugnen. Dass die Ursachen für diese (berechtigte!) Angst nicht einmal diskutiert werden, ist hingegen skandalös. Die Folgen solch mittelschichtiger Ignoranz haben Migranten und Unterschicht zu ertragen. (ich bitte um Verzeihung, falls Leserin meine Einlassung als ungestüm und unangebracht empfinden sollte)

la-mamma - 3. Dez, 20:26

ich seh da nichts ungestümes oder unangebrachtes. allerdings glaub ich nicht mehr, dass sich die mehrheit der mittelschicht (interessant auch, wie man die definieren sollte) auf dem weg nach "oben" wähnt. da wäre der zulauf zu den populisten eventuell geringer, denke ich, wenn noch so viel optimismus aufgebracht würde.
kombina - 3. Dez, 21:13

Mittelschicht

wird anhand des Haushaltseinkommens definiert: 70 - 150% des Medianeinkommens.

Die Schwelle zum Übertritt in die nächsthöhere soziale Schicht wurde empirisch bei etwa €1.000.- über dem eigenen monatlichen Einkommen identifiziert - unabhängig vom tatsächlichen Einkommen, wohlgemerkt.

Die "Wohlstandsgefährdung" wird der Unterschicht umgehängt. Daher auch das Bedürfnis der Mittelschicht nach Einschränkung des Wohlfahrtssystems (auf Einflüsterung der Elite hin, selbstverständlich). Schließlich finanzieren ja diese Leistungsträger den ganzen Staat, wie sie für sich irrig in Anspruch nehmen.

Kein Bedürfnis hingegen besteht daran, die Oberschicht stärker an der Finanzierung der allgemeinen Wohlfahrt zu beteiligen. Warum wohl? (man beachte auch, dass die Mittelschicht die absolute Mehrheit der Wählerschaft stellt - und unter Berücksichtigung des Umstandes, dass in der Unterschicht die Wahlbeteiligung stetig abnimmt, sogar beinahe die Zweidrittelmehrheit)

Die Mittelschicht verblödet mehrheitlich. So trocken fällt das faktische Urteil aus.
bonanzaMARGOT - 7. Dez, 16:30

in deutschland gibt es die ignorante mittelschicht auch.
die gab es schon immer. sie strebt nach oben und blockt nach unten ab. typisches spießbürgertum halt. oder kleinbürgertum. dort änderte sich in den köpfen nicht viel.
bonanzaMARGOT - 7. Dez, 16:27

was schafft denn brankas mann?

la-mamma - 9. Dez, 09:57

arbeitet auf einer tankstelle.
Jossele - 9. Dez, 10:35

Branka ist Schulwartin und bemüht, sich am Computer nicht zurecht zu finden (obwohl, sie`s kann) weil sonst müßte sie Aufgaben wahrnehmen.
Branka weiss, wie man etwas vermeidet.
Branka ist eine gute Geschäftsfrau.

la-mamma - 9. Dez, 12:23

branka ist (leider?) nicht schulwartin, kennt sich auf ihrem computer allerdings ganz gut aus. der computer daheim ist schon allein wegen des schulbesuchs der kinder notwendig, und der ältere sohn wird gerade edv-techniker.
Jossele - 9. Dez, 17:59

Ich meinte ja auch "meine" Branka.

hier fehlt was;-)

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