Samstag, 27. Dezember 2008

lass ihm seine würde

lass das, mama, hab ich gesagt,
als meine mutter anfing, die laden im altersheim aufzuziehen und meinem stiefopa vorzuschlagen,
wie er sie denn anders einräumen solle. du musst ihm seine würde lassen, mama, hab ich ihr nachher erklärt, aber meine mutter ist selber schon siebzig und hat das noch nie verstanden.
*
meine großmutter hat ihn vor fast fünfzig jahren kennengelernt - und wollte zunächst einmal gar nichts von ihm wissen.
einen zweifelhaften ruf hat er gehabt, im gefängnis war er gewesen, viel zu viele weibergeschichten, die er keineswegs sofort beendet hat.
dann hat sie sich´s doch überlegt, so leicht war das nicht nach dem krieg als witwe, der vorige freund war ein trinker, das war mein opa wenigstens nie.
als er mit einer anderen daneben einen schweren autounfall baute, stellte sie ihm ein ultimatum: entweder er heirate sie jetzt gleich oder er könne sie für immer vergessen. da war sie durchaus noch bei sinnen. uns kindern hat die hochzeit gut gefallen.
glücklich waren sie miteinander, auch das haben wir als kinder gemerkt, aber meinen eltern war er nie gut genug.
*
er will sie ins heim bringen, jammerte meine mutter die ersten jahre, als ihr alzheimer nicht mehr zu verbergen war.
seine vergangenheit hat er verklärt, spottete meine schwester, als er sich zum widerstandskämpfer stilisierte - der er wohl wirklich nie war.
sei froh, dass er das alles schafft, sagten wir meiner mutter, als er meine omi schon mehr als fünfzehn jahre lang daheim betreute.
aber er kocht nichts gescheites, jammerte meine mutter, und wollte nicht einsehen, dass neunzigjährige vielleicht nicht mehr so geschoppt werden wollen, wie sie das bei uns allen immer noch tut.
*
jetzt müsse er sich halt dreinfinden, sagte mein großvater, er sehe ja, was ihm im heim alles abgenommen würde. aber es sei nicht dasselbe. über dreißig jahre hatten sie in der schönen wohnung gelebt, mit nachbarn, die sich umeinander kümmerten, mit einer hausgemeinschaft, die auch meine großmutter immer nach hause brachte, solange sie sich noch verlaufen konnte.
keinen lift hat das haus, wie man geht, hat meine omi vergessen. ganz kurz allein lassen ging wieder, da sie auch alles andere schon vergessen hatte.
die pflegerin hätte er sich nicht leisten können, die frau von der caritas sei halt auch nur immer zu einer bestimmten zeit vorbeigekommen. und zu den anderen zeiten da hat er meine großmutter gewickelt, gefüttert, gebadet. und hinter ihr die wohnung aufgewischt. bis die bandscheiben halt auch nicht mehr mitgemacht haben.
*
und jetzt sitzt er in diesem wirklich schönen, freundlichen heim, wenigstens noch bei denen, die sich noch selber bewegen und noch selber essen können.
sein auto hat er noch, er fährt auch nicht viel schlechter als mein vater, und am land ist das eh nicht so schlimm.
keinen balkon haben sie, der werde ihm auch fehlen, sagte mein opa. die wohnung haben wir ihm gestern ausräumen geholfen, nein, er brauche ja gar nichts mehr, und vielen dank, dass wir da waren.
*
ich hätt gern eine humane lösung, das tu ich euch nicht an, sagte meine mama, als wir beim heimfahren pause machten. und was bitte soll das sein? du hättest nichts anderes machen können, du bist fast jedes monat die dreihundert kilometer hingefahren und hast ja versucht zu helfen. du solltest dir jetzt weniger sorgen machen und ihm dankbar sein, dass er mitgegangen ist, haben wir zu ihr gesagt. schön ist das alles trotzdem nicht.
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walküre - 27. Dez, 17:16

.

steppenhund - 27. Dez, 19:44

Frau Columbo hat meinen Vater 8 Jahre gepflegt, als er schon sehr stark vom Parkinson gezeichnet war. Es hat ihm gut gefallen bei uns. Der Hund (auch damals schon Jeanluc) war für ihn eine große Freude, da er früher in der Wohnung nie Hunde haben konnte. Vielleicht wollte auch meine Mutter nicht.
Mit 90 ist er dann friedlich eingeschlafen. Allerdings ging das mit der Pflege nur deswegen, weil meine Frau damals wegen der Kinder sowieso noch zu Hause war und außerdem noch Krankenschwester ist.
Die Frage stellt sich immer wieder: was ist eine humane Lösung?
Aber in der Familie meiner Frau wurden die Tanten sehr alt und manchmal denke ich, dass da die Gene allein nicht ausschlaggebend sind. Das sind auch die Elternhäuser, die noch aus dem 19. Jahrhundert zeitlich anzusiedeln sind.
Und wir werden uns selbst auch einmal dieser Frage stellen müssen.

la-mamma - 27. Dez, 19:48

an deinem letzten satz

kiefle ich zur zeit ganz schön.
und was deine frau gemacht hat, ist großartig. ich schätze, das ist das größte problem meiner mutter, dass sie das nicht konnte. sie hätte ihre mutter nicht zu sich nehmen können - weder aufgrund ihrer persönlichen psychischen verfassung noch ohne die einwilligung meines vaters. und der wird auch schon achzig ...
steppenhund - 27. Dez, 21:30

Weißt Du,

es geht eigentlich weniger um den vorweggenommenen Schrecken. Ich denke mir nur, dass man das Leben genießen muss, trotz aller kleineren und größeren Probleme. Wenn man nämlich noch in der Lage ist, mit den Problemen selbst umzugehen, ist nichts wirklich schlimm. Und damit meine ich nicht so schlimm, dass man trotzdem den Wert des Lebens schätzen kann.
oops - 28. Dez, 13:56

schön fand ich zeiten und möglichkeiten mehrere generationen in einem haus unterzubringen
so dass für jeden gesorgt ist
die alten passen auf die jungen auf
es gibt hilfe an jeder stelle
und jeder hat eine aufgabe
keiner muss sich unnütz fühlen

doch dies ist in vielen fällen heute nicht möglich
und das liegt nicht nur an der finanziellen situation
viele wollen es einfach nicht
gehen einander auf die nerven
entfernen sich

schade irgendwie

bei uns ist es nicht ganz einfach im moment
wir haben auch kein haus, keine möglichkeit sich um omi wirklich optimal zu kümmern
wir verbringen gerne zeit mit ihr (auch wenn es meist sehr anstrengend ist)
an dem einen tag will sie unbedingt ins heim, weil all ihre freundinnnen dort sind
dann wieder verflucht sie uns weil wir termine ausmachen
als ob wir sie abschieben wollen würden
unsere sorge versteht sie nicht ....

la-mamma - 28. Dez, 14:06

das stimmt schon,

dass das schade ist - und dass es auch nicht ganz leicht zu sagen ist, ob der persönliche egoismus der anderen letztlich das vernünftigste ist. bei uns ist es teilweise die entfernung der wohnorte - und das wirklich schon sehr fortgeschrittene krankheitsbild, das kann eben auch irgendwann überfordern ...
oops - 28. Dez, 14:17

stimmt
und es ist nicht einfach damit umzugehen
weil es einem ja selber auch weh tut zusehen zu müssen
walküre - 28. Dez, 20:00

Die hauptsächliche Schwierigkeit bei der ganzen Thematik liegt wohl darin, dass sie interfamiliär völlig überfrachtet mit Emotionen und Erwartungen verschiedenster Art ist; in Verbindung mit den diversen Familienkonstellationen entsteht dann meist Chaos pur. Sinnvoll scheint mir persönlich, sich beizeiten selber für einen selbst mit dieser Frage auseinandersetzen und entsprechende Vorkehrungen zu treffen. Dazu muss man aber ganz klar eine Zwischenbilanz ziehen (keinesfalls nur materiell), und dabei fängt es dann bei den meisten Menschen zu haken an, und zwar ordentlich (Extrembeispiel: Sich darüber klar zu werden, dass der auf einem anderen Kontinent lebende Sohn keinesfalls zurückkommen wird, um sich um die alten Eltern zu kümmern, auch wenn es Eltern gibt, die sich solchen Illusionen dauerhaft hingeben.).

la-mamma - 28. Dez, 20:22

außerdem muss man

interfamiliär wohl auch vieles erraten - und all das unausgesprochene kann dann - wenn die betroffene, so wie oben nicht mehr für sich selbst sprechen kann, auch ziemliche schwierigkeiten bereiten.
diefrogg - 28. Dez, 22:24

Das ist irgendwie das...

andere Extrem von der Geschichte mit der sterbenden Frau im Kinderzimmer. Ich weiss nicht, welche Lösung besser ist.

hier fehlt was;-)

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