Freitag, 21. September 2012

eine ganz andere geschichte ...

Wie hier schon des öfteren erwähnt, gehöre ich zur Neigungsgruppe der permanent Orientierungslosen. In Wien gehe ich grundsätzlich einfach drauflos und versuche, die nächste Straßenbahnstation zu finden. (Dort hängen immer Pläne, außerdem kann ich den Fahrplan lesen). Die Richtung aus der ich jeweils gekommen bin, erwische ich nur in nächster Wohnumgebung. Die kenne ich halt schon. Und ich bin auch noch nie sehr weit umgezogen.

In Anbetracht meiner mir wohlbekannten Unfähigkeit und in stolzem Ausprobieren meiner neuesten Tschechischkenntnisse kaufte ich mir also unlängst in Prag am Hauptbahnhof eine sehr große, ein wenig unhandliche Straßenkarte, in der ich das von mir angepeilte Ziel mit tatkräftiger Hilfe der Verkäuferin schon nach wenigen Minuten fand. Vielleicht hätte ich auch ein wenig über den Straßennamen nachdenken sollen, ein „oben“ darin hätte ich mir durchaus schon übersetzen können. Als erstes stellte ich fest, dass ich mir viel Mühe erspart hätte, wenn ich (besser vorbereitet) am anderen Bahnhof ausgestiegen wäre.

Da ich viel zu früh dran war, beschloss ich, wenigstens ein wenig in die richtige Richtung zu gehen, was mir mit nur ganz wenigen Umwegen immerhin gelang. Nach einem ausgiebigen Abendessen, dem Einsetzen der Dämmerung fand ich mit nur einmal Umsteigen die richtige Straßenbahn, stieg an der richtigen Station aus und wähnte mich knapp vorm Ziel. Sehr ruhig und ein wenig einsam war es da.

Der Karte folgend durchquerte ich rechts weg von der Station eine Art Baustelle und schreckte nach ungefähr 500 Metern als erstes einen nicht mehr ganz Jugendlichen mit gefühlten 30 Gesichtspiercings auf. Unter der nächsten Straßenlaterne betrachteten wir den Plan gemeinsam, und er machte mir auf Tschenglisch klar, dass ich wohl umdrehen und den Berg hinauf müsste, hier ginge ganz sicher kein Weg hinauf. Dann suchte er nach einem Wort, irgendwas völlig Unaussprechliches, deutete aber dabei immer auf den Boden. Nun ja, dachte ich, gehst du halt einmal hinauf ….

Zurück über die Baustelle, wandte ich mich nun geradeaus, immerhin leicht bergauf. Wieder 300 Meter später zweigte rechts eine Art Hohlweg ab: sehr steil hinauf, sehr finster, rechts und links nur Pflanzen und ein dezenter Uringeruch in der Luft. Da geh ich nie im Leben allein hinauf, die müssen ja dort irgendwie auch mit Autos hinkommen, dachte ich mir und verließ die Straße, die ebenfalls steiler wurde, lieber nicht.

Dass die Straße auch immer steiler wurde, wertete ich als gutes Zeichen. Dass weitere 10 Minuten bergauf kein einziges Straßenschild zu finden war und keine Abzweigung nach rechts kam, gefiel mir weniger. Ein ausgesprochen Jugendlicher mit Mütze (und Ofen in der Hand…) kam mir bergab entgegen. Nein, er wohne leider nicht in der Gegend, aber er glaube zu wissen, wo ich abbiegen müsse. Wir gingen die steile Straße gemeinsam wieder hinunter, es half nichts, mein Verdacht, dass ich das Wort für Kopfsteinpflaster lernen hätte können, wurde traurige Gewissheit.

Also – den natürlich auch unbeschrifteten Hohlweg hinauf, wenn mich da jetzt wer überfällt, wird es Tage dauern, bis sie mich finden. Schicksal, selber schuld, wieso in aller Welt hab ich kein Taxi genommen?

Unglaublich, dass man sich schon beim Anblick eines parkenden Autos (weitere 10 Minuten später) freuen kann. Wobei der Weg allerdings danach auch nicht breiter wurde. Dafür kam eine Abzweigung – noch feldwegähnlicher, nur ein bisschen geschottert, und selbstverständlich auch ohne jedes Schild. Aber irgendwie zu meinem Plan passend, sofern ich überhaupt richtig war. Jetzt ist es auch schon egal, wo ich mich umbringen lasse, also da weiter.

Ich ging an Haus „Nummer 2“ vorbei, ich suchte eine weit höhere. Ich ging an etlichen Zäunen vorbei, an etlichen Eingängen ohne Nummer, ein Hund bellte fürchterlich. Der war ausgesprochen groß, aber wenigstens hinter einer Gartenmauer. Um 20:30 sollte ich eintreffen, es war halb neun. Ich geb auf, dachte ich mir, ich ruf jetzt meine tschechische Freundin an, ich weiß zwar nicht, wie ich ihr meinen momentanen Standpunkt überhaupt erklären soll, aber wenigstens spreche ich noch einmal mit irgendjemandem.

Oder ich frage die Leute, die der Hund da jetzt aufgeschreckt hat, wenigstens lebt da jemand. Jemand, der nur mehr die Hände über den Kopf zusammenschlagen konnte, in Anbetracht dessen, welchen Weg ich da hinauf genommen hatte. Der Hund schloss umgehend Freundschaft mit mir. Und pünktlich war ich auch.
640 mal angeklickt. oder gar gelesen?

hier fehlt was;-)

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