lass ihm seine würde
lass das, mama, hab ich gesagt,
als meine mutter anfing, die laden im altersheim aufzuziehen und meinem stiefopa vorzuschlagen,
wie er sie denn anders einräumen solle. du musst ihm seine würde lassen, mama, hab ich ihr nachher erklärt, aber meine mutter ist selber schon siebzig und hat das noch nie verstanden.
*
meine großmutter hat ihn vor fast fünfzig jahren kennengelernt - und wollte zunächst einmal gar nichts von ihm wissen.
einen zweifelhaften ruf hat er gehabt, im gefängnis war er gewesen, viel zu viele weibergeschichten, die er keineswegs sofort beendet hat.
dann hat sie sich´s doch überlegt, so leicht war das nicht nach dem krieg als witwe, der vorige freund war ein trinker, das war mein opa wenigstens nie.
als er mit einer anderen daneben einen schweren autounfall baute, stellte sie ihm ein ultimatum: entweder er heirate sie jetzt gleich oder er könne sie für immer vergessen. da war sie durchaus noch bei sinnen. uns kindern hat die hochzeit gut gefallen.
glücklich waren sie miteinander, auch das haben wir als kinder gemerkt, aber meinen eltern war er nie gut genug.
*
er will sie ins heim bringen, jammerte meine mutter die ersten jahre, als ihr alzheimer nicht mehr zu verbergen war.
seine vergangenheit hat er verklärt, spottete meine schwester, als er sich zum widerstandskämpfer stilisierte - der er wohl wirklich nie war.
sei froh, dass er das alles schafft, sagten wir meiner mutter, als er meine omi schon mehr als fünfzehn jahre lang daheim betreute.
aber er kocht nichts gescheites, jammerte meine mutter, und wollte nicht einsehen, dass neunzigjährige vielleicht nicht mehr so geschoppt werden wollen, wie sie das bei uns allen immer noch tut.
*
jetzt müsse er sich halt dreinfinden, sagte mein großvater, er sehe ja, was ihm im heim alles abgenommen würde. aber es sei nicht dasselbe. über dreißig jahre hatten sie in der schönen wohnung gelebt, mit nachbarn, die sich umeinander kümmerten, mit einer hausgemeinschaft, die auch meine großmutter immer nach hause brachte, solange sie sich noch verlaufen konnte.
keinen lift hat das haus, wie man geht, hat meine omi vergessen. ganz kurz allein lassen ging wieder, da sie auch alles andere schon vergessen hatte.
die pflegerin hätte er sich nicht leisten können, die frau von der caritas sei halt auch nur immer zu einer bestimmten zeit vorbeigekommen. und zu den anderen zeiten da hat er meine großmutter gewickelt, gefüttert, gebadet. und hinter ihr die wohnung aufgewischt. bis die bandscheiben halt auch nicht mehr mitgemacht haben.
*
und jetzt sitzt er in diesem wirklich schönen, freundlichen heim, wenigstens noch bei denen, die sich noch selber bewegen und noch selber essen können.
sein auto hat er noch, er fährt auch nicht viel schlechter als mein vater, und am land ist das eh nicht so schlimm.
keinen balkon haben sie, der werde ihm auch fehlen, sagte mein opa. die wohnung haben wir ihm gestern ausräumen geholfen, nein, er brauche ja gar nichts mehr, und vielen dank, dass wir da waren.
*
ich hätt gern eine humane lösung, das tu ich euch nicht an, sagte meine mama, als wir beim heimfahren pause machten. und was bitte soll das sein? du hättest nichts anderes machen können, du bist fast jedes monat die dreihundert kilometer hingefahren und hast ja versucht zu helfen. du solltest dir jetzt weniger sorgen machen und ihm dankbar sein, dass er mitgegangen ist, haben wir zu ihr gesagt. schön ist das alles trotzdem nicht.
als meine mutter anfing, die laden im altersheim aufzuziehen und meinem stiefopa vorzuschlagen,
wie er sie denn anders einräumen solle. du musst ihm seine würde lassen, mama, hab ich ihr nachher erklärt, aber meine mutter ist selber schon siebzig und hat das noch nie verstanden.
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meine großmutter hat ihn vor fast fünfzig jahren kennengelernt - und wollte zunächst einmal gar nichts von ihm wissen.
einen zweifelhaften ruf hat er gehabt, im gefängnis war er gewesen, viel zu viele weibergeschichten, die er keineswegs sofort beendet hat.
dann hat sie sich´s doch überlegt, so leicht war das nicht nach dem krieg als witwe, der vorige freund war ein trinker, das war mein opa wenigstens nie.
als er mit einer anderen daneben einen schweren autounfall baute, stellte sie ihm ein ultimatum: entweder er heirate sie jetzt gleich oder er könne sie für immer vergessen. da war sie durchaus noch bei sinnen. uns kindern hat die hochzeit gut gefallen.
glücklich waren sie miteinander, auch das haben wir als kinder gemerkt, aber meinen eltern war er nie gut genug.
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er will sie ins heim bringen, jammerte meine mutter die ersten jahre, als ihr alzheimer nicht mehr zu verbergen war.
seine vergangenheit hat er verklärt, spottete meine schwester, als er sich zum widerstandskämpfer stilisierte - der er wohl wirklich nie war.
sei froh, dass er das alles schafft, sagten wir meiner mutter, als er meine omi schon mehr als fünfzehn jahre lang daheim betreute.
aber er kocht nichts gescheites, jammerte meine mutter, und wollte nicht einsehen, dass neunzigjährige vielleicht nicht mehr so geschoppt werden wollen, wie sie das bei uns allen immer noch tut.
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jetzt müsse er sich halt dreinfinden, sagte mein großvater, er sehe ja, was ihm im heim alles abgenommen würde. aber es sei nicht dasselbe. über dreißig jahre hatten sie in der schönen wohnung gelebt, mit nachbarn, die sich umeinander kümmerten, mit einer hausgemeinschaft, die auch meine großmutter immer nach hause brachte, solange sie sich noch verlaufen konnte.
keinen lift hat das haus, wie man geht, hat meine omi vergessen. ganz kurz allein lassen ging wieder, da sie auch alles andere schon vergessen hatte.
die pflegerin hätte er sich nicht leisten können, die frau von der caritas sei halt auch nur immer zu einer bestimmten zeit vorbeigekommen. und zu den anderen zeiten da hat er meine großmutter gewickelt, gefüttert, gebadet. und hinter ihr die wohnung aufgewischt. bis die bandscheiben halt auch nicht mehr mitgemacht haben.
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und jetzt sitzt er in diesem wirklich schönen, freundlichen heim, wenigstens noch bei denen, die sich noch selber bewegen und noch selber essen können.
sein auto hat er noch, er fährt auch nicht viel schlechter als mein vater, und am land ist das eh nicht so schlimm.
keinen balkon haben sie, der werde ihm auch fehlen, sagte mein opa. die wohnung haben wir ihm gestern ausräumen geholfen, nein, er brauche ja gar nichts mehr, und vielen dank, dass wir da waren.
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ich hätt gern eine humane lösung, das tu ich euch nicht an, sagte meine mama, als wir beim heimfahren pause machten. und was bitte soll das sein? du hättest nichts anderes machen können, du bist fast jedes monat die dreihundert kilometer hingefahren und hast ja versucht zu helfen. du solltest dir jetzt weniger sorgen machen und ihm dankbar sein, dass er mitgegangen ist, haben wir zu ihr gesagt. schön ist das alles trotzdem nicht.
la-mamma - 27. Dez, 16:39
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