Sonntag, 23. März 2008

wie hältst du´s mit der religion?

"Als erstes sag ich euch eines: Es gibt kein Christkind und den Osterhasen gibt es auch nicht!", sprach die Lehrerin Frau S. in der ersten Religionsstunde meines Lebens. Ich hatte das zum Glück schon vermutet, die Hälfte der Klasse brach spontan in Tränen aus.
Im Jahr drauf bekamen wir dann den Herrn Pfarrer in Religion und im quasi verpflichtenden Kommunionsunterricht. Der Herr Pfarrer konnte sehr anschaulich erzählen, ich lebte und litt mit bei seinen Geschichten, ich glaubte ihm alles bis zu Jesu Tod, nur dass das Ende dann doch ein gutes war, das glaubte ich ihm nicht. In diesem Jahr mussten wir alle jeden Sonntag zur Messe, von ihm persönlich kontrolliert. Meine Eltern stritten, wer mich denn begleiten müsse, an einen früheren gemeinsamen Kirchgang kann ich mich nicht entsinnen. Als die Kommunion näher rückte, mussten wir auch noch sämtliche Maiandachten besuchen - jeden Tag im Mai gab es eine, und ich glaube, die sind nicht nur für Siebenjährige ein wenig mühsam.

Die Wende begann mit unserem Wochenendhaus. Jeden Sonntag gingen alle Kinder im Dirndl oder im Trachtenanzug, genauso wie alle Eltern im Sonntagsstaat in die Kirche. Die Männer saßen rechts, die Frauen links, die meisten mit Kopftuch. Die Kirche war klein und immer voll. Nicht so gern saßen wir neben den Bäuerinnen, die rochen so anders als wir. Am weitesten vorne saß die einzige reichere Familie des Ortes, die sprachen mit allen anderen nicht viel. DIe Einheimischen unterhielten sich mit uns Wienern auch nicht viel, die Flüchtlinge schauten zu, dass sie so bald als möglich weiter flüchten konnten, und mit ihnen wurde - natürlich nur aufgrund der Sprachbarrieren - erst recht nicht gesprochen. Die Messen dauerten höchstens eine halbe Stunde, der Pfarrer war schon sehr alt, gebrechlich und recht wortkarg.

Und dann kam Pater T. aus Bulgarien. Sein Deutsch war ausgezeichnet, seine Bildung wahrscheinlich auch. Eine normale Predigt bei ihm dauerte 40 Minuten. Zu den höheren Feiertagen ordentlich länger. Er begann meistens bei der Jungfräulichkeit Marias und kam bis zu den notwendigen Reparaturen der Gartenzäune - mit vielen Exkursen dazwischen. Meistens dachte ich an etwas anderes. Oft genug kicherten wir über Dinge, an die ich mich nicht mehr erinnern kann. Die meisten Ostern lag noch viel Schnee, insbesondere am Karfreitag saßen wir oft fast drei Stunden auf den harten, kalten Bänken und warteten auf die Auferstehung. Die Buben stoppten die Predigtzeiten, die Männer gingen währenddessen gerne hinaus. Niemanden störte im Lauf der Jahre wirklich, dass der Pater T. ein wenig vom Ort entfernt zu einer Freundin und zwei Kindern kam. Bei unter tausend Einwohnern lässt sich halt nichts verbergen. Wirklich gram wurde ihm die Pfarrgemeinde erst, als er in der Predigt verkündete, dass er die Dienste der Dame, die für den Blumenschmuck sorgte, nicht mehr benötige.

In Wien kam ich zu den Pfadfindern und zu einem besseren Religionsunterricht. Von den Pfarrern und Novizen, die ich da im Lauf der Jahre kennen lernte, ließen sich vier von fünf laisieren.
Prof. L. (kein Geistlicher), der uns unter anderem Celan näherbrachte und es schaffte, dass auch die "Abgemeldeten" in der Klasse blieben, weil sie mitreden wollten, gab seinen Beruf auch auf. Er zweifle für seine eigenen Maßstäbe zu viel, sagte er uns zum Abschied, die Texte, die er uns mitbrachte, hob ich zwanzig Jahre lang auf.

Und irgendwann fiel mir auf, dass es vielleicht sinnvoller wäre, statt immer nur den Satz "Ich glaube an die Heilige Katholische Kirche" im Glaubensbekenntnis auszulassen, darüber nachzudenken, ob ich sonst noch an irgendetwas glaubte. Wenig kam heraus, eine Grundidee, dass es vielleicht Dinge gibt, die wir nicht verstehen. Eine Art Respekt vor einem brauchbaren Regelwerk für halbwegs anständiges Verhalten. Das hätten aber andere Religionen im Prinzip auch. Viel Zynismus, an dem der Professor, dessen Spezialgebiet das frühe Christentum und die Häretiker waren, keinen geringen Anteil hat.

Ich bin recht spät aus der Kirche ausgetreten, ein kurzer Akt, den man bei uns am Magistrat bekannt gibt. Der zuständige Beamte hatte nicht etwa Akten auf seinen Regalen stehen, sondern nur Steine. Jeder feinsäuberlich mit Funddatum und Herkunftsberg beschriftet.
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hier fehlt was;-)

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