Sonntag, 1. März 2009

milena

um ein wenig nachhilfe für ihre tochter bat mich die immer sehr viel sprechende hausmeisterin in gebrochenem deutsch in der früh, sie selber könne ja da gar nichts machen, aber wenn ich vielleicht, ich würde doch studieren ...? am selben nachmittag schon kam milena das erste mal, mit allen ihren bereits fertig gemachten hausaufgaben und einem bleistift und einem selten eifrigen gesichtsausdruck. nichts war an den aufgaben auszusetzen, wieso denn nachhilfe? weil ich auch im gymnasium lauter einser haben will, erklärte sie mir ganz ernst mit ihren 10 jahren, selten hab ich mich bei nachhilfe weniger anstrengen müssen.
vier jahre später wechselte sie auf die handelsakademie, die börse hätte es ihr angetan, dort wolle sie einmal arbeiten, sagte sie. nachhilfe brauchte sie keine mehr, hatte sie ja nie gebraucht, war immer noch vorzugsschülerin. nach ihrem ersten ferienjob bei einem bekannten hörte ich nur lob, das jahr drauf wurde sie ganz ohne mein zutun dort wieder genommen.

längst schon war ich weggezogen. ob ich kommen könne und mit milena reden, fragte mich die mutter am telefon, auf mich würde sie vielleicht hören? worum es denn ginge? das sei kompliziert, milena hätte sich verliebt, den rest würden sie mir schon erzählen, wenn ich da wäre.

sie seien nach hause nach nach jugoslawien gefahren, dort hätte sie ihn kennen gelernt. und jetzt wolle sie ihn wiedersehen, er lebe eh auch in wien. ja – das sei doch normal mit sechzehn, meinte ich. nein, das ginge keinesfalls so einfach, milena ist ein anständiges mädchen. das bezweifle doch niemand, aber mit sechzehn dürfe man doch einen freund haben? was er denn mache? er sei zuckerbäckerlehrling, er wolle auch nicht, dass milena weiter in die schule gehe. du willst mit der schule wegen eines burschen aufhören? fragte ich milena entsetzt. eigentlich nicht, sagte sie leise, aber – und jetzt mischte sich die mutter ein. wenn sie ihn heiratet, braucht sie doch keine schule! und das ginge ja gar nicht, dass sie ihn heiratet und kinder kriegt und in die schule geht, sagte die mutter. aber sie muss ihn doch nicht gleich heiraten, sie ist doch erst sechzehn! milena ist anständig, sie muss ihn heiraten! spätestens jetzt war mir klar, dass ich ein völlig anderes gespräch erwartet hatte. und dass ich die mutter nicht verstand. der vater saß die ganze zeit daneben und schwieg. der mutter tat es jetzt offensichtlich leid, mich überhaupt eingeladen zu haben. jetzt bin ich jung, jetzt kann ich als großmutter helfen! fuhr sie mich an. - aber die schule! - das gehe sowieso nicht, dass sie da weiter gehe. nein, sie sei noch nicht schwanger, wie könne ich das fragen! ich war ziemlich ratlos und traurig, als ich wegging. was hatten sie von mir erwartet?

milena hat die schule abgebrochen und ihn geheiratet. und in kürzerster zeit vier kinder bekommen. aus dem aufgeweckten mädchen wurde in wenigen jahren eine meist ungepflegt scheinende, stark übergewichtige und übellaunige frau. das wusste ich aber auch nur , da sich aus meiner alten wohnung nacheinander die wohnung meiner schwester, das erste büro meines exmanns, eine untermietwohnung meiner eltern und schließlich wieder die wohnung meiner schwester entwickelte. und irgendwann wechselte die hausmeisterin.

vor einem halben jahr war ich bei unserer hno-ärztin. neben mir im wartezimmer eine attraktive jüngere dame, die mich an irgendwen erinnerte, es wollte mir nicht und nicht einfallen. sie sah auch kurz zu mir her, sagte aber nichts. als die sprechstundenhilfe „milena r. bitte“ aufrief, war ich mir sicher – und sprach sie nach der behandlung an. ja, sie sei es, sie hätte sich eh auch gedacht, dass wir einander kennen. natürlich sei sie inzwischen geschieden, erzählte sie mir, und als nächstes würde sie die matura nachholen. und vielleicht studieren. aber mit vier kindern sei es nicht so leicht. zum glück hätte sie immer ihre mutter, die helfe eh viel ...
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hier fehlt was;-)

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