Distanz
Ich fahre oft in der Nacht mit der Schnellbahn nach Hause. Meist nur eine Station, aber die ist ziemlich lang. Am Praterstern nehme ich grundsätzlich den Hintereingang, der ist weit verlassener als die Vorderseite. Dort müsste ich mir den Weg nämlich durch eine Menge zwar garantiert harmlose, aber meist doch recht betrunkene Sandler bahnen.
Unlängst war ich am Sonntag im berüchtigten Billa am Praterstern einkaufen – und zwar nur Zuckerl, weil sich die der X. jetzt und unbedingt eingebildet hatte, und wir nicht wirklich was anderes vorhatten. An den Kassen - und dort steht man am Sonntag Vormittag grundsätzlich sehr lange - stank es grauenvoll, aber nicht nach Alkohol. Der arme Mann hinter uns hatte sich angemacht. Wir versuchten ein bisschen Abstand zu ihm zu halten, was bei dem Gedränge – und weil das alle anderen rundherum auch wollten - nicht einfach war.
Ich kenne Leute, die mit über 40 noch nie ein öffentliches Verkehrsmittel benützt haben, weil sie nicht mit Fremden zusammengequetscht werden wollen. Das ist mir völlig gleich, während ich mich an unsere Bussi-Bussi-Kultur recht langsam gewöhnt habe. Oder nur bei sehr guten Freunden nicht mehr zusammenzucke, wenn sie mich während des Sprechens berühren.
Letzte Woche in der Schnellbahn suchte ein offensichtlich auch nicht ganz nüchterner Mann verzweifelt etwas in einer riesigen goldenen Tasche. Er kniete damit zwischen den Türen und wühlte und wühlte. Sein Anblick war ein wenig grotesk, ein anderer Fahrgast – nicht sehr österreichisch aussehend - musste genau im gleichen Augenblick wie ich grinsen. Ein dritter Mann stand neben mir, ebenfalls zum Aussteigen bereit. Er zog sich sehr langsam Lederhandschuhe an, obwohl es noch sehr warm war. Warum mir das so bedrohlich vorkam, weiß ich nicht.
Der Weg von der Schnellbahn bis zu meiner Haustür ist ein wenig entrisch*, ich muss zunächst an der dicht bewachsenen Bahntrasse entlang durch eine Sackgasse. Wir gingen zu dritt in dieselbe Richtung, alleine wäre mir lieber gewesen. Der, der auch gelächelt hatte, muss mein Unbehagen gespürt haben. Jedenfalls fragte er mich eher grundlos, ob ich verkühlt sei. War ich nicht, aber froh war ich, in ein sehr höfliches Gespräch verwickelt zu werden, das bis zur nächsten Kreuzung dauerte. Den mit den Lederhandschuhen sah ich nicht mehr.
Ich hätte auch über Nähe- und Distanzprobleme in Beziehungen schreiben können.
* unheimlich
dieser text gehört zum sechzehnten wort aus dem *.txt - projekt. danke, dominik, für die vielen anregungen und blogs, auf die ich dadurch gestoßen bin!
Unlängst war ich am Sonntag im berüchtigten Billa am Praterstern einkaufen – und zwar nur Zuckerl, weil sich die der X. jetzt und unbedingt eingebildet hatte, und wir nicht wirklich was anderes vorhatten. An den Kassen - und dort steht man am Sonntag Vormittag grundsätzlich sehr lange - stank es grauenvoll, aber nicht nach Alkohol. Der arme Mann hinter uns hatte sich angemacht. Wir versuchten ein bisschen Abstand zu ihm zu halten, was bei dem Gedränge – und weil das alle anderen rundherum auch wollten - nicht einfach war.
Ich kenne Leute, die mit über 40 noch nie ein öffentliches Verkehrsmittel benützt haben, weil sie nicht mit Fremden zusammengequetscht werden wollen. Das ist mir völlig gleich, während ich mich an unsere Bussi-Bussi-Kultur recht langsam gewöhnt habe. Oder nur bei sehr guten Freunden nicht mehr zusammenzucke, wenn sie mich während des Sprechens berühren.
Letzte Woche in der Schnellbahn suchte ein offensichtlich auch nicht ganz nüchterner Mann verzweifelt etwas in einer riesigen goldenen Tasche. Er kniete damit zwischen den Türen und wühlte und wühlte. Sein Anblick war ein wenig grotesk, ein anderer Fahrgast – nicht sehr österreichisch aussehend - musste genau im gleichen Augenblick wie ich grinsen. Ein dritter Mann stand neben mir, ebenfalls zum Aussteigen bereit. Er zog sich sehr langsam Lederhandschuhe an, obwohl es noch sehr warm war. Warum mir das so bedrohlich vorkam, weiß ich nicht.
Der Weg von der Schnellbahn bis zu meiner Haustür ist ein wenig entrisch*, ich muss zunächst an der dicht bewachsenen Bahntrasse entlang durch eine Sackgasse. Wir gingen zu dritt in dieselbe Richtung, alleine wäre mir lieber gewesen. Der, der auch gelächelt hatte, muss mein Unbehagen gespürt haben. Jedenfalls fragte er mich eher grundlos, ob ich verkühlt sei. War ich nicht, aber froh war ich, in ein sehr höfliches Gespräch verwickelt zu werden, das bis zur nächsten Kreuzung dauerte. Den mit den Lederhandschuhen sah ich nicht mehr.
Ich hätte auch über Nähe- und Distanzprobleme in Beziehungen schreiben können.
* unheimlich
dieser text gehört zum sechzehnten wort aus dem *.txt - projekt. danke, dominik, für die vielen anregungen und blogs, auf die ich dadurch gestoßen bin!
la-mamma - 26. Nov, 08:41
4 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
2111 mal angeklickt. oder gar gelesen?
Nejla (Gast) - 29. Nov, 20:08
Das ist wohl der Gegentext zu Tanz, die Dis-Tanz!
la-mamma - 30. Nov, 11:58
tatsächlich - ein bisschen ist das so.
bonanzaMARGOT - 30. Nov, 20:09
hm... da komm mal nach berlin.
la-mamma - 1. Dez, 09:34
war ich schon. hat mir - im gegensatz zu praktisch allen, die ich kenne - nicht besonders gut gefallen;-)
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