abgrundtief
dieser text gehört zum dritten wort aus dem *.txt - projekt
Ich habe lang darüber nachgedacht, warum ich ihn so hassen konnte. Meinen Hass nährte ich immer wieder neu, meine Verachtung ließ ich ihn immer deutlicher spüren. Die angebotene Hand ergriff ich nie mehr, es gelang mir bei jedem erzwungenen Kontakt, ihn nur mehr auf dem Punkt zwischen seinen Augenbrauen fixieren. Einmal hab ich ihn über unseren Gang hinausgebrüllt, und der Gang ist ziemlich lang. Ich war stolz, wenn ich ihm schaden konnte, und ich habe es getan, so gut es mir möglich war.
Warum jetzt, mag er sich gefragt haben, wo doch alles schon so lang her ist? Seine unerträgliche Aufdringlichkeit, all das Gesabbere und Gegrapsche, das von mir zuerst gar nicht ernst genommene Getue. Gekichert hab ich am Anfang noch, kein Lachen gab es mehr am Ende. Die meisten hätten mir sowieso nicht geglaubt, wie bei einem Hundebesitzer – der sei doch harmlos, das wüssten ja eh alle …
Keine Grenzen konnte ich setzen, und dafür hab ich mich selbst später so abgrundtief verachtet. Seiner Meinung nach war alles meine Schuld, das alles hätte schließlich „ich ihm angetan“, und wenn es nur die aufreizende Art meiner Kleidung war.
Bis ich mir irgendwann den Verrat an mir selbst verzeihen konnte. Und damit ihm auch.
Ich habe lang darüber nachgedacht, warum ich ihn so hassen konnte. Meinen Hass nährte ich immer wieder neu, meine Verachtung ließ ich ihn immer deutlicher spüren. Die angebotene Hand ergriff ich nie mehr, es gelang mir bei jedem erzwungenen Kontakt, ihn nur mehr auf dem Punkt zwischen seinen Augenbrauen fixieren. Einmal hab ich ihn über unseren Gang hinausgebrüllt, und der Gang ist ziemlich lang. Ich war stolz, wenn ich ihm schaden konnte, und ich habe es getan, so gut es mir möglich war.
Warum jetzt, mag er sich gefragt haben, wo doch alles schon so lang her ist? Seine unerträgliche Aufdringlichkeit, all das Gesabbere und Gegrapsche, das von mir zuerst gar nicht ernst genommene Getue. Gekichert hab ich am Anfang noch, kein Lachen gab es mehr am Ende. Die meisten hätten mir sowieso nicht geglaubt, wie bei einem Hundebesitzer – der sei doch harmlos, das wüssten ja eh alle …
Keine Grenzen konnte ich setzen, und dafür hab ich mich selbst später so abgrundtief verachtet. Seiner Meinung nach war alles meine Schuld, das alles hätte schließlich „ich ihm angetan“, und wenn es nur die aufreizende Art meiner Kleidung war.
Bis ich mir irgendwann den Verrat an mir selbst verzeihen konnte. Und damit ihm auch.
la-mamma - 24. Feb, 12:59
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HARFIM - 24. Feb, 14:08
interessanter Text,
Opfer- und -Täter -Text.
Das "Opfer" verzeiht sich den Verrat an sich selbst, geht also den ersten Schritt - und dann verzeiht es sogar dem "Täter".
Und der Täter?
Wann erkennt er, dass auch er sich (als Mensch) verraten hat?
Oder ist das dann nicht mehr notwendig, dass er das tut?
Für das Opfer anscheinend ja.
Das "Opfer" verzeiht sich den Verrat an sich selbst, geht also den ersten Schritt - und dann verzeiht es sogar dem "Täter".
Und der Täter?
Wann erkennt er, dass auch er sich (als Mensch) verraten hat?
Oder ist das dann nicht mehr notwendig, dass er das tut?
Für das Opfer anscheinend ja.
la-mamma - 24. Feb, 14:18
nein, das opfer ist froh, dass ihm der täter gleichgültig geworden ist ...
HARFIM - 24. Feb, 14:28
... aber es verzeiht ihm doch sogar,
bei Gleichgültigkeit wäre das nicht notwendig.
flyhigher - 2. Mär, 10:12
@Harfim: Meiner bescheidenen Erfahrung nach geht der Weg zur Heilung und zum inneren Frieden nur darüber, auch dem "Täter" zu verzeihen. Es ist nicht am Opfer, den Täter erkennen zu lassen, dass er unrecht gehandelt hat. Das kann nur der Täter selbst.
katiza - 24. Feb, 15:24
Gänsehaut, Madamme - und danke für die Inspiration zu +.txt und eine Umarmung sowieso...
bonanzaMARGOT - 25. Feb, 12:55
spontan bei dem text gedacht: wie viel von dem hass ist selbsthass?
la-mamma - 25. Feb, 16:37
wahrscheinlich viel zu viel. aber ist vorbei;-)
gruppli (Gast) - 26. Feb, 23:25
ganz nah dran
komme ich beim Lesen an das Gefühl. Fast meine ich, die Stimme zu hören, die den Text spricht. Sehr dramatisch - Fortsetzung?
la-mamma - 27. Feb, 09:38
ich glaub, zu dem mag ich lieber keine fortsetzung schreiben.
Lakritze (Gast) - 28. Feb, 13:43
Ein guter Schlußpunkt. (Und tröstlich: nicht in jeden Abgrund muß man stürzen.)
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